Albtraum
Luke frösteln. „Er könnte Menschen auf hundert verschiedene Arten umbringen und hätte keine Skrupel dabei. Er befasst sich nicht mit moralischen Aspekten, wie Sie das vielleicht tun. Er denkt nicht an Himmel oder Hölle, an richtig und falsch. Er glaubt nicht an jemandes Recht auf Leben oder an Menschlichkeit. Menschen sind Ziele für ihn, schlicht und einfach. Das Einzige, was einen Auftragskiller in Schach hält, ist sein Ehrgefühl, sein Ehrenkodex. Wenn sie ihm das nehmen, rennt eine Killermaschine durch die Straßen. Jemand, für den Rache ein anderes Wort für Gerechtigkeit ist.“
29. KAPITEL
Julianna traf sich eine Woche lang jeden Abend mit Sandy im Kaffeehaus. Dann schlug sie vor, dass sie ihr Treffen auf Dinner und Filmbesuch am Freitag ausdehnten. Danach gingen sie samstags gemeinsam einkaufen und zum Lunch.
Sie wurden die besten Freundinnen.
Und wie Julianna vorausgesehen hatte, war Sandy dankbar für ihre Freundschaft. So dankbar, dass sie Juliannas Motive nie anzweifelte und sich nie fragte, warum sie nach ihren langen und erfolglosen Bemühungen um Freundschaft plötzlich jemand gefunden hatte, der alles an ihr mochte.
Julianna fand es nun an der Zeit, den nächsten Schritt zu wagen.
Sie wählte den Freitagabend für ihr Vorhaben. Sie hatten soeben Salat und Dessert in einem Café zu sich genommen, das für beides berühmt war, und machten Pläne für den Einkaufsbummel am nächsten Tag.
Julianna zählte seufzend das Geld für ihren Teil der Rechnung ab. „Ich muss wirklich bald einen Job finden.“
„Immer noch kein Glück gehabt?“
„Es sei denn, ich will Hamburger verkaufen.“
„Schrecklich.“
„Kein Scherz. Ich hätte nie vermutet, dass es so schwer sein würde, einen anständigen Job zu bekommen.“ Sie sah Sandy hoffnungsvoll an. „Was ist mit der Kanzlei, in der du arbeitest? Gibt es da nicht eine freie Stelle?“
Sandy schüttelte den Kopf. „Ich glaube kaum. Jedenfalls nichts, wofür du qualifiziert wärst.“
„Woher willst du das wissen?“ Sie beugte sich zu ihr vor. „Ich besitze viele Qualitäten.“
„Beide freie Stellen erfordern einen Collegeabschluss und Berufserfahrung in einer Anwaltskanzlei. Tut mir Leid.“
Julianna zeigte deutlich, wie niedergeschlagen sie war. Sie hatte angenommen, dass es in einer so großen Firma wie Nicholson, Bedico, Chaney & Ryan eine für sie geeignete Tätigkeit gäbe. Vielleicht war Sandy nicht ganz ehrlich mit ihr. Vielleicht brauchte sie mehr Anreiz. „Das höre ich immer.“ Julianna sah mit tränenfeuchtem Blick auf ihre Hände. „Ich fürchte, ich muss zurückgehen.“
„Zurück?“ wiederholte Sandy. „Du meinst doch nicht zurück nach Washington?“ Als sie nickte, war Sandy entsetzt. „Aber das geht nicht! Wir sind doch gerade erst Freundinnen geworden.“
„Ich will ja auch nicht, aber was soll ich denn machen? Ich bekomme hier keinen Job. In Washington habe ich wenigstens Verbindungen, aber hier bist du die Einzige, die ich kenne, und du kannst nicht …“ Bekümmert ließ sie den Satz unbeendet. „Es wäre sicher schön gewesen, zusammen zu arbeiten. Wir hätten immer zusammen zum Lunch gehen können. Wir könnten uns auch kleine Botschaften schicken, wenn die Chefs gerade nicht hinsehen.“
„Das hätte mir wirklich sehr gefallen“, flüsterte Sandy traurig. „Du bist die beste Freundin, die ich je hatte.“
„Und du bist meine beste Freundin, Sandy. Du wirst mir sehr fehlen.“
Sie verfielen in trübsinniges Schweigen. Sandy sackte in ihrem Sessel zusammen und schien gleich in Tränen ausbrechen zu wollen. Dann straffte sie sich plötzlich und sah Julianna an. „Warte, mir ist da gerade etwas eingefallen. Eine Möglichkeit gibt es vielleicht.“
Dann erzählte sie rasch, wie sie Richard Ryans Sekretärinhatte klagen hören, sie sei überlastet. „Er bewirbt sich für das Amt des Distrikt-Staatsanwaltes, und sie hat schon mit Kündigung gedroht wegen der vielen Mehrarbeit. Ich hörte, wie er ihr versprach, eine Assistentin einzustellen, die ihr bei der Sekretariats- und Laufarbeit hilft, die mit seinem Wahlkampf einhergeht.“
Richard braucht eine Assistentin. Das ist wieder ein Zeichen. „Wann war das?“
„Diese Woche.“ Sandy dachte kurz nach. „Dienstag, glaube ich. Ja …“ Sie nickte. „Es war Dienstag. Im Pausenraum. Allerdings weiß ich nicht, ob er eine Annonce aufgegeben oder ob er schon jemand im Auge hat.“
Julianna legte eine Hand an die Brust. Sie war so aufgeregt,
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