Albtraum
seine Uhr. Wenn er sich sputete, konnte er rasch duschen, sich umziehen und noch zwei Stunden am Laptop arbeiten.
Er blieb am Tresen stehen, und Aimee, die exotisch aussehende Dame vom Empfang, begrüßte ihn mit Namen. Er lächelte. „Irgendwelche Mitteilungen für mich?“
Sie erwiderte das Lächeln. „Ja, ich glaube, Mr. Dallas. Lassen Sie mich nachsehen.“ Sie ging zum Fach mit seiner Zimmernummer und sah ihn über die Schulter hinweg an. „Ja, da ist etwas. Sie haben außerdem ein Paket bekommen. Es ist hinten. Ich kann es Ihnen aufs Zimmer bringen lassen. Falls Sie eine Minute Zeit haben, hole ich es Ihnen rasch.“
„Ich warte, danke.“ Sie reichte Luke einen Umschlag und verschwand durch eine Tür hinter der Rezeption. Er riss den Umschlag auf und las, dass er bis zur Dinnerverabredung tatsächlich noch einige Stunden Zeit hatte.
Aimee kam zurück und reichte ihm eine kleine Tragetasche. Darin lag ein Exemplar von „Dead Drop“, am selben Tag von ihm signiert für den „Vogelmann“.
Stirnrunzelnd überlegte Luke, dass er am Morgen zahllose Bücher signiert und ebenso viele Gesichter gesehen hatte. Es hatte Dutzende Marys, Stevens’ und Daves gegeben, allerdings nur einen Vogelmann. Zwar erinnerte er sich, das Buch signiert zu haben, aber merkwürdigerweise nicht an den Mann, dem er es gegeben hatte. Mit einem solchen Namen müsste er sich ihm förmlich ins Gedächtnis gebrannt haben.
Er wusste, dass er den Mann angesehen hatte. Er war mittleren Alters und unauffällig gewesen. Doch so sehr er sich auch bemühte, mehr fiel ihm dazu nicht mehr ein.
„Mr. Dallas?“ Luke sah von dem Buch auf und blickte in Aimees exotische Augen. Leicht errötend fuhr sie fort: „Ich wollte Ihnen nur sagen, dass mir Ihre Bücher sehr gefallen. Ich kann es gar nicht erwarten, Ihr Neuestes zu lesen.“
Er lächelte erfreut. „Danke. Übrigens …“ Er hielt die Tasche hoch. „Können Sie sich erinnern, wer das hier für mich hinterlassen hat?“
„Tut mir Leid. Ich habe meinen Dienst gerade eben erst angetreten.“
„Es war keine weitere Mitteilung dabei?“
„Ich habe keine gesehen. Aber ich schaue noch mal nach.“
Es gab keine Nachricht, also ging Luke in sein Zimmer hinauf. Sobald er es betrat, klingelte das Telefon. Er beeilte sich, den Hörer abzunehmen, ehe sich der Telefonservice des Hotels einschaltete, um etwaige Mitteilungen aufzunehmen. „Hallo?“
„Wir treffen uns in zwanzig Minuten in der Bar des Vieux-Carré-Waffenclubs.“
„Wer spricht da?“
„In zwanzig Minuten“, wiederholte der Mann, „falls Sie immer noch reden wollen.“
Die Leitung war tot, und Luke hielt den Hörer noch einen Moment lang in der Hand, ehe er ihn auf die Gabel legte. Condor! erkannte er mit einem Schmunzeln. Der Vogelmann. Natürlich.
Der Vieux-Carré-Waffenclub war eine private Einrichtung und wurde, nach Fassade und Lage zu urteilen, von extrem wohlhabenden Kunden frequentiert.
Der Türsteher ließ Luke herein und verwies ihn an den Empfangstisch. Die Frau dort, eine hübsche Blondine im makellosen Chanelkostüm, stand auf, als er näher kam, undbegrüßte ihn mit Namen. Sie bat ihn, sich in die Gästeliste einzutragen, und führte ihn weiter in die Lounge.
Luke entdeckte Condor sofort. Der saß allein an einem Ecktisch mit dem Rücken zur Wand.
„Der Vogelmann, nehme ich an?“
Condor lächelte. „Neckisch, aber ich konnte nicht widerstehen.“ Er deutete auf den Sessel ihm gegenüber. „Wie lange haben Sie gebraucht, es herauszufinden?“
„Zu lange, wie ich bedauernd gestehen muss.“ Er ließ sich in den Ledersessel sinken. „Das waren Sie in der Signierstunde? Hätte ich nie vermutet.“
Condor gab der Serviererin ein Zeichen. „Achten Sie auf die Augen, die verraten die Menschen immer.“
Die Bedienung wollte ihre Bestellung aufnehmen, und Luke sah auf Condors Drink. Als errate er Lukes Gedanken, erklärte Condor: „Ich trinke nie Alkohol. Er benebelt die Sinne und verzögert die Reaktionszeit.“
„Was genau der Grund ist, weshalb die meisten Menschen trinken. Mir persönlich behagt der Geschmack.“ Luke bestellte lächelnd ein Bier und wandte sich wieder an Condor. „Ziemlich schicker Laden hier.“
„Schäbig ist er nicht, das ist mal sicher.“ Er führte sein Glas Tomatensaft an die Lippen.
„Und Sie sind Mitglied?“
„Sagen wir, ich habe Freunde an höherer Stelle.“
Einige Minuten plauderten sie nur belanglos daher. Luke spürte, dass Condor ihn immer noch
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