Albtraum
routinemäßig abliefen.
„Das Entscheidende ist“, fuhr Condor fort, „der Profi muss Feuerkraft und Effektivität gegen praktische Handhabung, Nachweisbarkeit und Kosten abwägen. Ihre 44er hat weit mehr Durchschlagskraft, als ich brauchen würde, aber sie ist keine schlechte Wahl, wenn Sie mit dem Rückschlag klarkommen. Ist beispielsweise ein Einbrecher im Haus, Sie haben nur einen Schuss – und wer weiß, wo der landet – muss er ziemlich viel Schaden anrichten.“
„Danke für das Vertrauensvotum.“
Condor lachte und fuhr fort: „Eine Waffe ist ein Werk zeug, nichts weiter. Keine Geliebte und kein Spielzeug. Man solltesich nicht an eine Waffe gewöhnen – man benutzt sie deswegen nie zweimal.“
„Nie?“
„Nie. Dieselbe Waffe würde eine Verbindung zwischen den Aufträgen herstellen. Ein Gewehr zerlege ich, wenn möglich, immer in seine Einzelteile, ehe ich es wegwerfe. Die einzelnen Teile entsorge ich dann an verschiedenen Orten. Kolben in den Abfall, Lauf in den Fluss, Sie verstehen, was ich meine. Auf die Art kann ich sicher sein, dass die Waffe nie entdeckt wird.“
„Warum beseitigen Sie nicht die Leiche? Die ist doch auch ein Beweis. Keine Leiche, kein Mord, keine Untersuchung.“
„Ja, aber es ist schwerer, sie loszuwerden, oder?“ Er gab Luke die Beretta. „Bedenken Sie, dass sich alle Polizisten an dieselbe Theorie der Aufklärung halten: Motiv, Mittel und Gelegenheit müssen nachgewiesen werden. Laut Statistik gibt es bei den meisten Gewaltverbrechen eine Beziehung zwischen Opfer und Täter. Die Leute kannten sich also. Also sucht die örtliche Polizei zuerst im Bekanntenkreis. Entledige dich der Waffe, und wir haben ein Verbrechen, aber ohne Motiv und ohne Waffe. Ich bin schon weg, ehe die Polizei mit der Befragung von Ehefrau, Geschäftspartnern und Freunden fertig ist.“
Luke nahm die Waffe, legte Munition ein und trat vor. Er zielte und feuerte. Diesmal sicherer und genauer. Er nahm den Ohrschützer ab und gab Condor die Waffe zurück.
„Was geht Ihnen durch den Kopf, bevor Sie einen Auftrag erledigen?“
„Hinfahren, schießen, abhauen. Ein Profi hat zwei Ziele. Den Auftrag erledigen und wegkommen. Mehr nicht.“
„Was ist, nachdem Sie den Auftrag erledigt haben? DenkenSie nie an Frau und Kinder des Opfers? Stellen Sie nie in Frage, ob Sie das Richtige tun?“
„Das sind für mich keine Menschen, Dallas. Das sind Ziele, ein Name und ein Gesicht auf einem Stück Papier.“ Er legte die Waffe auf den Tisch. „Ich bin kein Mörder, kein amoralischer Irrer. Solche Typen machen mich krank. Sie besitzen weder Loyalität noch Selbstkontrolle. Das sind selbstsüchtige Bastarde, die aus einer Laune heraus und ohne Ehre handeln. Ich bin ein Patriot, ein Soldat. Ich arbeite für mein Land und zweifle meine Aufträge nicht an.“ Lukes skeptische Miene brachte ihn zum Lachen. „Seien Sie nicht naiv. Viele Regierungen dieser Welt beschäftigen Männer wie mich. Wir sind eine politische Notwendigkeit.“
Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Ich liebe meine Familie und mein Land wie jeder andere. Und ich tue, was nötig ist, um sie zu schützen.“
Es erstaunte Luke, diesen Mann von Loyalität, Patriotismus und Ehre reden zu hören, und die Zärtlichkeit zu hören, mit der er von Frau und Kindern sprach.
Luke war sich bewusst, dass er Grund hatte, Angst zu haben. Dieser Mann könnte ihn auf viele Arten umbringen und würde nicht zögern, es zu tun. Er arbeitete außerhalb des Gesetzes und doch irgendwie innerhalb.
Condor erzählte ihm seine Geheimnisse und teilte ihm seine Gedanken mit. Damit wurde er angreifbar, was für einen Mann wie ihn sehr beunruhigend sein musste.
Trotzdem empfand Luke keine Angst. Er spürte, dass er von diesem Mann nichts zu befürchten hatte. Auf eine seltsame Art respektierte er ihn, mochte ihn sogar. In jedem anderen Gewerbe wären sein Ehrenkodex und die Liebe zu seiner Familie bewundernswert gewesen.
„Haben Ihre Taten jemals persönliche Motive?“
„Persönliche Motive?“ fragte Condor und furchte die Stirn. „Nein, niemals. Diese Grenze überschreite ich nie.“
„Was ist, wenn jemand wie Sie es doch tut? Wenn etwas geschieht, und aus einem Profi wird plötzlich ein Rächer in eigener Sache?“
Condor schwieg einen Moment, als überlege er genau. „Das wäre sehr schlimm, Dallas. Dann sprächen wir von einer Tötungsmaschine. Er ist aufs Töten trainiert.“ Condor beugte sich zu ihm, und die Kälte in seinem Blick ließ
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