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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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der im College ein erfolgreicher Sportler gewesen war. Die Küche einer Mutter, die sich als Gourmetköchin einen Namen gemacht hatte.
    Ich hatte mir eingeredet, dass das alles nur Unfälle gewesen seien. Aber jetzt konnte ich ein klares Muster erkennen, das sich durch mein Leben zog.
    Ich tat es von Anfang an und schnell. Machte die wertvollsten, wichtigsten Dinge kaputt. Damit sie es wussten. Damit sie erkannten, was ich war.
    Und damit sie mich wegschickten, bevor sie mir wichtig werden konnten. Bevor ich wieder verletzt werden konnte.
    Auf diese Art schien ich mich schützen zu können. Aber was war dadurch aus mir geworden? Hatte ich, indem ich so viele Dinge beschädigte, auch etwas in mir beschädigt? Wieder durchlief mich ein Zittern. Und als ich dort in diesem eisigen Kerker der Bibliothekare saß – konfrontiert mit meinem ersten (wenn auch sicher nicht letzten) Versagen als Anführer –, musste ich es mir endlich eingestehen.
    Ich beschädige nicht einfach nur. Ich zerstöre.

 
KAPITEL ZWÖLF
     
     
    Jetzt habt ihr vielleicht Mitleid mit mir. Oder ihr denkt, dass ich es verdient hätte zu leiden wegen all dem, was ich den Familien angetan hatte, die mich bei sich aufgenommen hatten.
    Ich würde euch gern erzählen, dass diese ganze Selbstreflexion etwas Gutes bewirkt hätte. Und vielleicht hat sie das für kurze Zeit tatsächlich getan. Aber bevor ihr euch jetzt zu große Hoffnungen macht, gebe ich hiermit besser die feierliche Erklärung ab, dass der Alcatraz Smedry, den ihr zu kennen glaubt, nichts anderes ist als eine Farce. Es mag ja sein, dass ihr in meinem jüngeren Ich einige vielversprechende Anlagen seht, aus denen sich noch etwas entwickeln könnte, aber am Ende hat nichts davon ausgereicht, um diejenigen zu retten, die ich liebe.
    Wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte, würde ich Sing und die anderen so gründlich von mir wegtreiben, dass sie nie zurückgekommen wären. Leider hatte ich zu dieser Zeit noch ein bisschen Hoffnung in mir und meinte, von ihnen vielleicht angenommen zu werden. Mir hätte klar sein müssen, dass Verbundenheit nur zu Schmerzen führt. Besonders als ich schließlich versagte, als ich sie hätte beschützen müssen.
    Und doch war es wahrscheinlich gut für mich zu erkennen, dass ich die Menschen absichtlich von mir wegtrieb, denn dadurch verstand ich letztlich, was für ein schlechter Mensch ich bin. Vielleicht sollten mehr Jungen von niederträchtigen Bibliothekaren entführt und gezwungen werden, in eisigen Kerkern zu sitzen und über ihre Fehler nachzudenken, während sie auf ihre Vernichtung warten. Vielleicht gründe ich mal ein Sommercamp, in dem solche Maßnahmen durchgeführt werden.
    Das Komischste daran ist, dachte ich schließlich, dass bis jetzt noch keiner einen Witz darüber gemacht hat, dass zwei Kinder namens Alcatraz und Bastille in einem Gefängnis einsitzen.
    Aber natürlich waren wir zu diesem Zeitpunkt nicht gerade zu Scherzen aufgelegt. Ich konnte es nicht sicher wissen, da sie mir die Sanduhr – zusammen mit meiner Jacke – weggenommen hatten, aber ich ging davon aus, dass die halbe Stunde, die wir noch gehabt hatten, schon lange vorbei war. Krampfhaft versuchte ich, nicht zu dem Latrineneimer hinüber zu sehen, in der Hoffnung, dass mein Körper sich dann nicht daran erinnert fühlen würde, gewissen Pflichten nachzukommen.
    Während ich also dasaß und nachdachte, passierten einige sehr seltsame Dinge mit mir. Ich hatte mich selbst immer als eine Art Rebell gesehen, der sich kämpferisch gegen das System auflehnt. In Wahrheit war ich aber nichts anderes als ein quengelndes Kleinkind, das sich in Wutanfälle hineinsteigerte und Sachen kaputt machte, um sicherzugehen, dass es die anderen verletzte, bevor es von ihnen verletzt werden konnte. Die gefürchtete Demut kehrte zurück, und sie hatte einen sehr seltsamen Effekt. Eigentlich hätte sie dafür sorgen müssen, dass ich mich wie ein Wurm fühlte, der sich vor Scham windet, die ihn wie eine zentnerschwere Last niederdrückt. Aber aus irgendeinem Grund passierte das nicht.
    Die Erkenntnis über meine Fehler ließ mich nicht beschämt den Kopf senken, sondern ihn heben und mich umsehen. Die Erkenntnis darüber, wie dämlich ich mich angestellt hatte, löste in mir keine Seelenqualen aus, sondern ließ mich meine eigene Dummheit belächeln. Der Verlust meiner Identität hatte weder Paranoia noch ein Gefühl von Wertlosigkeit zur Folge.
    In Wahrheit war es ganz simpel: Ich hatte all das

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