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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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ja, so ein Talent müsste man haben …«
    »Ich halte dein Talent für ziemlich nützlich«, sagte ich nachdrücklich. »Immerhin hat es uns da unten den Hals gerettet, und dieser Sturz, mit dem du das Ablenkungsmanöver gestartet hast, der war großartig. So etwas Sensationelles habe ich noch nie gesehen!«
    Sing lächelte bescheiden. »Das sagst du doch nur so. Aber ich weiß es trotzdem zu schätzen.«
    Für einen Moment kehrte Ruhe ein, und mir wurde bewusst, wie hilflos ich mich fühlte und wie schuldig. Egal, was Sing sagte, ich fühlte mich dafür verantwortlich, dass wir geschnappt worden waren. Langsam drang der Ernst unserer Lage zu mir durch und legte sich schwer wie Blei auf mein Gemüt.
    Ich befand mich in der Gewalt von Leuten, die bewaffnete Attentäter losschickten, um Kinder aus ihrem Zuhause zu entführen – Leuten, zu denen auch ein Mann gehörte, der so abgrundtief böse war, dass er Fußspuren hinterließ, die wie schwarzes Feuer auf dem Boden brannten. Blackburn hätte mich problemlos umbringen können, wenn er das gewollt hätte. Das bedeutete, dass er einen Grund hatte, mich am Leben zu lassen. Und ich war mir mit jeder Minute sicherer, dass ich lieber nicht wissen wollte, was dieser Grund war.
    Ich hatte schon lange keine wirkliche Angst mehr verspürt. Über die Jahre hatte ich gelernt, mich innerlich einigermaßen abzuschotten – es war der einzige Weg gewesen, um damit klarzukommen, dass meine Pflegeeltern mich immer wieder im Stich ließen. In diesem Moment war die Angst allerdings groß genug, um meinen Schutzpanzer zu durchdringen.
    Bastille schmollte immer noch in ihrer Ecke, und so wandte ich mich auf der Suche nach ein bisschen Trost an den Mokianer. »Sing? Unsere Vorfahren – kannst du mir etwas über sie erzählen, oder zumindest über einige von ihnen?«
    »Was willst du denn wissen?«
    Ich zuckte ratlos mit den Schultern.
    »Na ja«, begann Sing und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Da war zum Beispiel Libby Smedry – sie war wirklich begabt. Ich habe mir oft gewünscht, ein Talent zu haben, dass nur halb so großartig wäre wie das, was sie hatte.«
    »Und das wäre?«
    »Sie konnte wahre Überschwemmungen anrichten, wann immer sie abgespült hat«, erklärte Sing mit einem melancholischen Seufzen. »Sie hat ganz allein die große Dürre in Kalbeeze beendet – und dabei auch noch das gesamte Geschirr so sauber gekriegt, dass man sich darin spiegeln konnte! Das war damals im dritten Jahrhundert der vierten Epoche.«
    Ein verklärtes Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er fortfuhr: »Und wahrscheinlich erinnert sich jeder noch an Alcatraz Smedry den Siebten – er lebte ungefähr sechzehn Generationen vor dir. Damals waren die Bibliothekare noch nicht aktiv, aber es gab schon Dunkle Okulatoren. Alcatraz der Siebte hatte das Talent, im ungünstigsten Moment irritierende Geräusche von sich zu geben. Er hat dadurch einen Feind nach dem anderen geschlagen – weißt du, er hat die Dunklen Okulatoren so sehr in ihrer Konzentration gestört, dass sie es nicht mehr geschafft haben, ihre Linsen einzusetzen!«
    Wieder seufzte Sing. »Wenn ich an diese großen Talente denke, kommt mir das Stolpern immer so nichtssagend vor.«
    »Sachen kaputt machen ist ja auch nicht gerade das Größte«, versuchte ich ihn zu trösten.
    »O nein, Alcatraz. Sachen kaputt machen – das ist ein echtes Talent. Eines der großen alten Talente, die in den Legenden beschrieben werden. Ich weiß, dass ich mich nicht beklagen sollte – ich sollte glücklich sein, überhaupt solche Kräfte zu haben. Aber du … es wäre eine Schande, ein solches Talent nicht zu würdigen. Und es hätte keinem besseren Smedry gegeben werden können.«
    Keinem besseren Smedry …
    Sing lächelte mich aufmunternd an, aber ich wich seinem Blick aus. Ich lasse ihn zu nah an mich heran, er fängt an, mir etwas zu bedeuten, dachte ich. Sie alle – Grandpa Smedry, Sing, sogar Bastille.
    »Komm schon«, meinte Sing, »schau nicht so traurig.«
    »Du kennst mich nicht, Sing«, sagte ich plötzlich. »Ich bin kein guter Mensch.«
    »Blödsinn!«
    Ich lehnte mich gegen die Gitterstäbe und spähte nach draußen – wo es allerdings nicht besonders viel zu sehen gab. Gegenüber unserer Zelle ragte eine schlichte Steinmauer auf.
    »Du weißt nicht, was ich alles getan habe, Sing. Was ich alles … kaputt gemacht habe. Welche Schmerzen ich wirklich guten Menschen zugefügt habe – Menschen, die mir einfach nur ein Zuhause geben

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