Alcatraz und die dunkle Bibliothek
vorhabt, jemals eine Geschichte wie diese hier zu schreiben, solltet ihr eines wissen: Unterbrecht niemals eine gute Actionszene, nur um dann überflüssige Erklärungen einzufügen. Ich habe das einmal getan, im vierzehnten Kapitel einer ansonsten sehr spannenden Geschichte. Das bereue ich heute noch.
Und falls ihr jemals von unaufhaltsamen Monstern angegriffen werdet, die aus schlechten Liebesromanen erschaffen wurden, solltet ihr genau das tun, was ich getan habe: Greift in eure Tasche und holt schnell eure Feuerspenderlinsen raus.
Ein kleines Feuer überstehen?, dachte ich gehässig, während ich den Samtbeutel öffnete. Und wie wäre es dann mit einem großen Feuer?
Ich wühlte verzweifelt in dem Beutel und zerrte die Linsen hervor – aber wie schon beim ersten Mal war ich zu ungeschickt, und vor allem war ich mächtiger, als es gut für mich war. Die Linsen aktivierten sich, sobald ich sie berührte.
Sie begannen gefährlich zu glühen.
»Grmpf!«, würgte ich hervor. Ich versuchte die Linsen umzudrehen, fummelte aber so hektisch daran herum, dass sie schließlich genau auf mich zeigten.
In diesem Moment griff mein Talent ein und zerbrach das Brillengestell. Die Linsen fielen zu Boden; die eine zerbrach, als sie auf den Steinen aufschlug, die andere kullerte ein Stück weit und blieb dann mit der Vorderseite nach unten liegen. Sie gab einen Schuss ab und schickte einen stark gebündelten Lichtstrahl in die Steine, auf die sie gefallen war.
»Alcatraz!«, rief Sing verzweifelt, als er das nächste Magazin leergeschossen hatte. Er ließ die Maschinenpistolen fallen und griff über die Schulter, um das Gewehr zu ziehen, das er auf dem Rücken trug. Mit einem lauten Knall feuerte er es ab. Die Brust des Belebten explodierte und löste sich in eine Papierwolke auf, die wie Konfetti durch die Luft rieselte und sich im ganzen Gang verteilte.
Die Kreatur geriet aus dem Gleichgewicht und wäre fast gestürzt, als Sing ihr noch eine Ladung verpasste. Doch dann richtete sie sich wieder auf und marschierte weiter auf ihn zu.
Ich wollte nach der noch intakten Feuerspenderlinse greifen, musste aber vor der starken Hitze zurückweichen. Die Linse selbst war natürlich nicht heiß – dann wäre es schließlich ziemlich schwierig gewesen, sie auf der Nase zu tragen. Aber sie hatte die Steine ringsum extrem stark erhitzt, und ich kam einfach nicht nah genug ran.
Hastig sah ich mich nach Bastille um und bekam gerade noch mit, wie sie ihr Kristallschwert in die Brust ihres Gegners rammte.
Der Belebte jedoch schlug einfach mit seinem klumpigen Arm nach ihr und traf sie so hart, dass sie zurückgeschleudert wurde. Das Schwert blieb in der Brust des Monsters stecken, während Bastille gegen die Wand knallte und dann hart auf dem Boden aufschlug.
»Bastille!«
Sie rührte sich nicht. Die Kreatur baute sich drohend über ihr auf.
Ich habe ja bereits versucht, euch zu erklären, dass ich kein besonders mutiger Junge war. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mit mutigen Taten ähnlich ist wie mit Dummheiten.
Man plant nur sehr selten, sie zu begehen.
Also griff ich den Belebten an. Er wandte sich von Bastille ab, kam auf mich zu und holte zum Schlag aus. Irgendwie gelang es mir, ihm auszuweichen, dabei geriet ich jedoch ins Stolpern und griff deshalb blind nach dem Schwert in der Brust des Monsters. Ich zog es heraus.
Genauer gesagt, ich zog den Schwertgriff heraus.
Ich taumelte ein paar Schritte zurück und holte aus, bevor mir bewusst wurde, dass die kristallene Klinge immer noch in der Brust der Kreatur steckte.
Hinter mir ertönte ein Klicken, als Sing den Abzug seines leeren Gewehrs durchdrückte.
Ich ließ den Arm sinken und starrte den Schwertgriff an. Mein Talent, unberechenbar wie eh und je, hatte das Schwert kaputt gemacht. Für einen langen Moment stand ich einfach nur da – sicherlich wesentlich länger, als es unter diesen Umständen angebracht gewesen wäre. Dann umklammerte ich den Schwertgriff.
Und wurde wütend.
Mein ganzes Leben lang war ich von meinem Talent beherrscht worden. Ich hatte so getan, als könnte ich damit leben, so getan, als hätte ich es unter Kontrolle, aber da hatte ich mir nur etwas vorgemacht. Ich hatte meine Pflegefamilien mit voller Absicht vergrault, weil ich genau gewusst hatte, dass mein Talent das irgendwann sowieso tun würde – ohne Rücksicht darauf, was ich wollte.
Es hatte mich unterjocht. Es bestimmte, wer ich war. Ich hatte keine Chance, ich selbst zu
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