Alcatraz und die letzte Schlacht: Band 4 (German Edition)
bleiben. »Du willst die Talente für dich selbst«, sagte ich. »Du willst sie benutzen, um den Truppen der Bibliothekare zusätzliche Fähigkeiten zu verleihen.«
Sie rollte die Augen.
»Versuch nicht, mir etwas anderes zu erzählen«, sagte ich. »Du willst die Talente für dich behalten. Doch mein Vater will allen Leuten welche verleihen. Deswegen habt ihr euch zerstritten, stimmt’s? Nachdem ihr eine Methode entdeckt hattet, den Sand von Rashid zu sammeln, wart ihr euch uneinig, wie die Talente genutzt werden sollten.«
»Das kann man wohl sagen«, stimmte sie zu.
»Mein Vater wollte die ganze Menschheit mit ihnen beglücken. Doch du wolltest, dass sie den Bibliothekaren vorbehalten blieben.«
»Genau«, sagte sie frei heraus.
Ich stutzte und blinzelte verwundert. Ich hatte nicht erwartet, dass sie mir darauf antworten würde. »Oh. Äh. Hm.« Sie war und blieb eben »eine skrupellose, bösartige und egozentrische Bibliothekarin, die nach der Weltherrschaft strebte«. Das durfte ich nie vergessen.
»Nun, da wir geklärt haben, was eh klar war, können wir unsere Unterhaltung über die Inkarna fortsetzen, wenn du willst.«
»Okay«, sagte ich. »Also was ging schief? Warum sind die Talente so schwer zu kontrollieren?«
»Das wissen wir nicht genau«, erwiderte sie. »Die Quellen– die wenigen Schriften, die ich mir mit den Übersetzerlinsen habe vorlesen lassen– widersprechen sich. Anscheinend gab es etwas, das die Talente beeinflusste, eine Energie oder Kraft, die die Inkarna benutzten, um ihre Seelenschwingungen zu verändern. Das verdarb die Talente. Es machte sie zerstörerischer und unberechenbar.«
Das Dunkle Talent …Ich musste wieder an die ominösen Worte denken, die ich in der Gruft von Alcatraz dem Ersten gelesen hatte.
»Du hast mich gefragt, warum ich dir das erzähle«, sagte Shasta und sah mich durch die Gitterstäbe prüfend an. »Nun, du hast dich als… sehr hartnäckig erwiesen. Was ich auch tue, du funkst mir ständig dazwischen. Deine Anwesenheit hier in Tuki Tuki bedeutet, dass ich es mir nicht mehr leisten kann, dich zu ignorieren. Es ist Zeit für ein Bündnis.«
Ich blinzelte, völlig perplex. »Wie bitte? Für was?«
»Für ein Bündnis zwischen dir und mir, das einem höheren Ziel dient.«
»Mit diesem höheren Ziel meinst du wohl dein eigenes.«
Sie sah mich stirnrunzelnd an. »Erzähl mir nicht, dass du noch nicht begriffen hast, worum es geht. Ich dachte, du wärst klug.«
»Ich stelle mich lieber dumm«, sagte ich.
»Was geschah mit den Inkarna?«
»Sie gingen unter«, sagte ich. »Ihre Kultur wurde zerstört.«
»Wodurch?«
»Das wissen wir nicht. Es muss etwas Ungeheuerliches gewesen sein, etwas Radikales, etwas…«
Da kapierte ich es endlich. Ich hätte es schon viel früher erkennen müssen. Ihr seid wahrscheinlich längst darauf gekommen. Ihr seid eben schlauer als ich.
Als mein Vater in seiner Rede in Nalhalla verkündet hatte, dass er jedem ein Talent verleihen wollte, hatte ich ein ungutes Gefühl gehabt. Aber ich hatte nicht begriffen, welche weitreichenden Folgen das hätte, wie gefährlich das wäre.
»Etwas zerstörte die Inkarna«, hörte ich mich sagen. »Etwas so Furchtbares, dass mein Vorfahr Alcatraz der Erste seine eigene Sprache kaputt machte, damit niemand es wiederholen konnte…«
»Genau. Es war das Geheimnis der Talente«, sagte Shasta leise und eindringlich. »Überleg dir mal, was los wäre, wenn jeder ein Talent hätte. Der Smedry-Klan ist dafür berüchtigt, Schäden anzurichten, Unfälle zu provozieren und irrsinnige Dinge zu tun. Viele Philosophen nehmen an, dass ihr so draufgängerisch seid, weil eure Talente so schwer zu bändigen sind und euer Leben besonders in jungen Jahren unberechenbar machen.«
»Und wenn jeder sie hätte, würde ein totales Chaos herrschen«, sagte ich. »Jeder würde sich verirren, Teddybären vermehren, Dinge zerbrechen…«
»Das zerstörte die Inkarna«, fuhr Shasta fort. »Attica wollte meine Warnungen nicht hören. Er beharrt bis heute darauf, dass dieses Wissen an alle Menschen weitergegeben werden muss, dass es ein ›bibliothekarisches‹ Ziel ist, es der Welt vorzuenthalten. Aber manchmal ist völlige Informationsfreiheit keine gute Sache. Was wäre, wenn jeder Mensch auf unserem Planeten die Fähigkeit, die Mittel und das Wissen hätte, eine Atomwaffe herzustellen? Wäre das etwa gut? Manchmal ist es wichtig, Geheimnisse zu bewahren.«
Ich war mir nicht sicher, ob sie damit recht
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