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Alchemie der Unsterblichkeit

Alchemie der Unsterblichkeit

Titel: Alchemie der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Pflieger
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schien er weniger mitgenommen als Icherios. Doch als er ihm in die Augen sah, erkannte der Gelehrte in ihnen ein tiefes Entsetzen.
    »Das war nicht Jaine Windsucher.«
    Bernsten zuckte bei Rabensangs Worten zusammen.
    »Jaine war schmaler, trug andere Kleidung und hatte eine Narbe am Beim. Das Ding dort hat keine Male.«
    Icherios spürte noch immer den Schreck in seinen Gliedern. Seine Knie hörten nicht auf zu zittern. Rabensang hingegen bewies, dass er ein guter Anführer war, indem er bereits damit begann, das nächste Grab zu öffnen. Bevor die tobende Kreatur im Inneren des Sarges eine Chance hatte sich zu befreien, rammte er die Schaufel durch den Deckel hindurch und trennte den Kopf ab. Der dritte Sarg war leer.
    »Da wollte jemand nicht, dass wir die Leichen untersuchen und hat uns eine böse Überraschung dagelassen.«
    Allmählich kehrte Icherios’ Verstand zurück. »Die Leichen müssen von jemandem ausgetauscht worden sein, der von der Exhumierung wusste und die Möglichkeit hatte, solch eine Kreatur zu erschaffen. Ich vermute, dass es sich um Ghoule handelt.« Icherios konnte sich immer noch nicht daran gewöhnen, von Wesen, die er nur aus Schauermärchen und Sagen kannte, zu sprechen als wären sie das Natürlichste weit und breit. Dennoch zwang er sich, die nächste Frage zu stellen. »Sind Ghoule heimisch in dieser Gegend?«
    »Bisher nicht.« Rabensang hob die Köpfe auf und legte sie zu ihren Körpern.
    »Alchemisten vermögen Ghoule ins Leben zu rufen.«
    »Oder eine schwarze Katze ist bei Vollmond von links nach rechts über die Leichen gesprungen«, warf Bernsten ein. »Es muss kein Mensch dahinter stecken.«
    »Es gab keinen Vollmond seit dem ersten Mord«, wiegelte Rabensang ab. »Vampire könnten allerdings ebenfalls durch ihren Biss Ghoule erschaffen.«
    Icherios zog sich der Magen zusammen, als er die volle Bedeutung erfasste: ein weiterer Hinweis auf Sohon. Wer sonst sollte in dieser verlassenen Gegend ein mächtiger Alchemist sein?
    Nachdem sich Rabensang vergewissert hatte, dass es Icherios wieder besser ging, verabschiedete er sich mit dem Versprechen, die Ghoule zur Leichenkammer zu bringen, damit Icherios sie untersuchen konnte.
    Obwohl es früher Nachmittag war, kehrte der junge Gelehrte erschöpft in sein Zimmer zurück, nahm mehrere Schlucke Laudanum und sank in sein Bett. Der Trank schenkte ihm das Vergessen, das er sich herbeisehnte.
    Mondlicht schimmerte durch die Vorhänge, als Icherios erwachte. Maleficium saß auf der Fensterbank und starrte in die Dunkelheit. Es schien beinahe, als vermisste er das freie Leben. Sobald sich Icherios regte, piepste das Tier erfreut und eilte zu ihm, um sich eine Nuss und ein paar Streicheleinheiten abzuholen. Icherios überlegte, ob er versuchen sollte weiterzuschlafen. Dann entschied er sich jedoch dafür aufzustehen. Die Worte der Grabenden Helene fielen ihm ein. Beim ›Zimmer des Amtes‹ konnte es sich nur um das Amtszimmer des Bürgermeisters handeln. Und wenn er einem Geist glauben wollte, war dort ein Hinweis verborgen. Icherios schlich zur Tür und lauschte. Alles war still. Selbst Maribelle war nicht zu hören. Es würde keine bessere Gelegenheit geben, nach Beweisen zu suchen. Kurz entschlossen zog er sich seinen Mantel über und tapste barfüßig in den Gang. Bei jedem Knarren der Dielen und Stufen zuckte er zusammen und hielt atemlos inne, bis er sicher war, niemanden geweckt zu haben.
    Die Tür zum Amtszimmer schwang mit einem klagenden Quietschen auf. Verlassen lag die Stube vor ihm. Mit wenigen Handgriffen entzündete er eine Kerze und begann mit der Durchsuchung. Er fand Aufstellungen über Einnahmen, Gesuche um Streitschlichtungen, Beschwerden über Unruhen und andere Dinge, die zum Alltag eines Bürgermeisters gehörten. Dann ging Icherios in Kindels Kammer. Vielleicht befanden sich die Hinweise bei Arkens Gehilfen. Aber auch dort gab es nichts Außergewöhnliches. Icherios schlich zurück in den Hauptraum. Er wollte schon aufgeben, da fiel sein Blick auf die vertäfelte Wand hinter dem Vorhang. Ein Stück der Holztäfelung stand auffällig vor. Langsam glitten seine Finger darüber. Das Brett war locker. Vorsichtig und darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, zog er daran. Es löste sich aus der Vertäfelung. Dahinter befand sich eine Vertiefung, in der ein kleines Büchlein lag. Er legte das Holzbrett auf den Tisch und blätterte in den Seiten. Es war das Tagebuch einer Anna Freylung. Aus den Zeilen ging hervor,

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