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Alchemie der Unsterblichkeit

Alchemie der Unsterblichkeit

Titel: Alchemie der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Pflieger
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auszuheben.
    »Wessen Ruhestätte ist das?«, fragte Icherios.
    »Jaine Windsuchers.«
    Icherios war nicht in einem gottesfürchtigen Haus aufgewachsen. In der Familie Ceihn herrschte das Geld und nicht der Glaube. Trotzdem zuckte er zusammen bei den lateinischen Versen, die der Pfarrer beim ersten Spatenstich zu rezitieren begann. War es wirklich richtig, was er hier tat? Sollte er sich nicht lieber in sein Schicksal fügen und den Mörder sein grausiges Werk verrichten lassen? Die Werwölfe wirkten nett und menschlich, doch sie waren keine Menschen. Konnte etwas anderes als schwarze Magie ihre Existenz verursacht haben? Und Vampire! Sie lebten von Menschenblut und gehörten getötet und ausgerottet wie jedes gefährliche Tier. Trotz seiner logischen Folgerungen fiel es dem jungen Gelehrten schwer, das Böse in der Familie Windsucher zu erkennen.
    Der herbe Geruch feuchter Erde stieg in die Luft. Die Tagelöhner standen hüfttief in der Grube. Schweißflecken breiteten sich auf ihren Hemden aus. Ein dumpfes Geräusch erklang aus dem Erdreich. Die Arbeiter zuckten zusammen. Das Klopfen wiederholte sich. Etwas trommelte im Inneren des Sarges gegen das Holz. Voller Panik schrien die Tagelöhner auf. Einer sprang behände aus dem Loch, während der andere im schlammigen Grund ausrutschte und schreiend in das Grab zurückfiel. Sein Gefährte half ihm auf, dann rannten sie davon. Rabensang versuchte sie aufzuhalten, doch sie stießen ihn grob zur Seite.
    Furchtsam verbarg sich Icherios hinter dem Werwolf, als ein weiteres Klopfen durch die morgendliche Stille dröhnte. Der Pfarrer stellte sich einige Meter von ihnen entfernt aufrecht hin. Sein Gesicht war blass. »Das ist die Strafe Gottes«, murmelte er. Sein Körper wiegte wie Schilf im Wind vor und zurück.
    Rabensang fluchte wüst, schnappte sich eine Schaufel und fing zu graben an. Die Kraft mit der er sich in die Tiefe arbeitete, ließ seine menschliche Maske bröckeln und das wilde Tier zum Vorschein kommen. Das Pochen aus dem Grab war in ein Kratzen übergegangen. Schmatzende, glucksende Laute drangen heraus. Ein dumpfes Klacken von Metall auf Holz signalisierte, dass die Schaufel auf den Sarg gestoßen war. Icherios kauerte sich zitternd am Rand der Grube zusammen und beobachtete, wie Rabensang den Sarg freilegte. Jemand hatte liebevolle Blumenschnitzereien in das Holz eingearbeitet. Messingschlösser sollten die Totenruhe schützen. Nun hielten sie etwas darin gefangen. Es hämmerte und kratzte am Deckel, jemand verlangte fauchend hinausgelassen zu werden. Ängstlich umklammerte der Pfarrer sein Kreuz. Icherios wich einige Schritte zurück. Einzig Rabensang ließ sich nicht beirren und riss mit einem heftigen Ruck den Deckel auf. Eine Kreatur sprang aus dem Inneren hervor, fiel kreischend über den Werwolf her. Icherios sah einen grauen Leib in schäbigen Röcken gekleidet, der Busen war von Maden befallen und faulte bereits. An den Gelenken hatten Fliegen und Larven die Knochen entblößt, an anderen Stellen löste sich die Haut vollständig ab und offenbarte ein Gerüst aus Sehnen und Muskeln. Rabensang hatte alle Hände voll zu tun, sich das fauchende Biest vom Hals zu halten. Lange, scharfe, spitze Zähne und Krallen versuchten ihn zu zerfleischen. Glühend rote Augen suchten nach einem Weg ihn zu zerfetzen. Sobald das Wesen erkannte, dass es gegen Rabensang keine Chance hatte, riss es sich los und stürzte sich auf Icherios. Im letzten Moment gelang es dem Gelehrten auszuweichen. Der Pfarrer schrie auf, als das Monster mit unglaublicher Wendigkeit herumfuhr und eine Kralle seinen Arm aufschlitzte. Die Kreatur heulte voller Blutdurst auf, doch sie hatte nicht mit Rabensangs Schnelligkeit gerechnet. Mit einem gewaltigen Satz hechtete der Werwolf aus dem Grab und packte das Wesen am Genick. Das Kreischen wandelte sich in ein Gurgeln, als der Werwolf mit einem heftigen Ruck den Kopf von den Schultern trennte. Selbst dann hörte die Kreatur nicht auf zu zucken und um sich zu schlagen. Erst nachdem Rabensang ihm ein Grabscheit durch die Brust gerammt hatte, mit dem er es an den Boden nagelte, erstarben die Zuckungen.
    Icherios brach zitternd unter einem Baum zusammen und vergrub den Kopf in den Händen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Rabensang gelassen den Körper untersuchte. Der Pfarrer stand steif neben dem offenen Grab. Mit einer Hand umklammerte er die Wunde an seinem Arm. Blut tropfte auf eine kleine, weiße Herbstblume. Trotz seiner Fleischwunde

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