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Alchemie der Unsterblichkeit

Alchemie der Unsterblichkeit

Titel: Alchemie der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Pflieger
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Sohon ein bluttrinkendes Ungeheuer lauerte. »Wie weit ist der nächste Friedhof entfernt? Vielleicht wurden die Körper dort gestohlen.«
    »Mehrere Tagesmärsche.«
    Icherios verzichtete vorerst auf eine Obduktion des Mannes und wandte sich der Frau zu. Ihr zerfetztes Kleid und die Wölbung ihrer Brüste waren das Einzige, das von ihrer einstigen Weiblichkeit zeugte. Die Verwandlung zum Ghoul hatte ihre Gesichtszüge zu einem grotesken Zerrbild eines Menschen gewandelt mit kantigen, breiten Knochen und einer platten Nase. Auch in ihren Augen schien ein letzter Funke von Leben zu schimmern. Ihr Körper war deutlich schlimmer zugerichtet, als der des Mannes. Unzählige Stichwunden verstümmelten ihren Leib. »Der Mörder muss Frauen hassen, zumindest diese arme Seele.«
    »Das können Sie an der Leiche ablesen?«
    Icherios nickte. »Sie war spätestens nach dem fünften Stich tot.« Seine Finger fuhren über die glatten Wundränder. »Trotzdem hat er weitere elf Mal auf sie eingestochen.«
    Icherios hob einen Arm an, um die langen Klauen, die aus einer Verschmelzung von Fingernägeln und Fleisch entstanden waren, zu begutachten. Dabei fiel ihm auf der Innenseite des Handgelenkes ein eingebranntes »V« auf. Manche Städte markierten Vagabunden und Bettler auf diese Weise, um sie leichter erkennen und verjagen zu können. Vor allem in Zeiten des Hungers, in denen es die Notleidenden in größere Ortschaften zog, nur um dort noch elendiger dahinzusiechen.
    Kolchin stöhnte beim Anblick des Brandmals auf und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Verdammt, jetzt weiß ich. Das müssen die verschwundenen Vagabunden sein. Erinnert Ihr Euch?«
    »Gibt es jemanden, der sie identifizieren könnte?«
    Kolchin fuhr mit den Fingern die Maserungen im Tisch nach. »Ihre Gruppe ist bereits weitergezogen. Warum ist mir das nur nicht früher eingefallen?«
    »Zumindest können wir nun davon ausgehen, dass unser Unbekannter die Ghoule erst nach Ankündigung der Exhumierung erschaffen hat. Somit muss der Mörder von unseren Plänen gewusst haben.«
    »Das bedeutet auch«, Kolchin stockte, »dass er es auf Euch abgesehen hat. Er wollte die Ghoule auf Euch hetzen.«
    Icherios bemühte sich, seine Fassung zu wahren. »Er betrachtet mich als Bedrohung. Das ist gut. Wir wissen dadurch, dass wir es nicht mit einem Verrückten im herkömmlichen Sinn zu tun haben.«
    »Wie kann ein Mensch nicht irre sein, der anderen dies antut?«
    »Hätte er den Verstand verloren, würde er nur nach einem einzigen Schema töten. Dieser Mörder hingegen scheint mit uns zu spielen und mit seinen Taten einen Zweck zu verfolgen. Wir müssen jetzt nur noch herausfinden welchen.«
    »Wenn es weiter nichts ist.«
    Nach der oberflächlichen Untersuchung der Ghoule wanderte Icherios im Raum auf und ab. Es widerstrebte ihm, Leichen zu sezieren, die ihn anzwinkerten. Er entschied sich dazu, vorerst auf eine Obduktion zu verzichten. Seine wissenschaftliche Neugier verbat ihm jedoch, sie direkt zur Verbrennung freizugeben. Vielleicht würde er später die Zeit finden, eine genauere Untersuchung vorzunehmen. Falls es für ihn überhaupt eine Zukunft gab. Wütend verzog er das Gesicht bei dem fürchterlichen Gedanken. Er spürte, wie Zorn in ihm aufkochte. Nicht nur, dass ein Mörder es auf ihn abgesehen hatte, die Tochter seines Gastgebers und Verlobte eines Vampirs ihn darum bat, mit ihm durchzubrennen, nun fing er auch noch an, an seinem Verstand zu zweifeln. Wie sollte er es sich sonst erklären, dass er die Existenz von Werwölfen, Vampiren, Geistern und Worgen als gegeben hinnahm und sie nicht als Täuschung entlarvte?
    Icherios ging zu dem in der Ecke liegenden Schädel. Das aufgedunsene Gesicht grinste ihn mit gebleckten Zähnen an. Er hob den Kopf an den Haaren hoch und hielt ihn so weit wie möglich von seinem Körper weg. »Veranlassen Sie bitte, dass die Ghoule in verschließbare Truhen gepackt werden.«
    Kolchin riss die Augen weit auf. »Glauben Sie etwa, dass sie noch einmal aufstehen könnten?«
    »Wollen Sie es denn darauf ankommen lassen?«
    Der Flurhüter wich zurück. »Ich denke nicht.«
    Icherios nahm jedes Detail des Raumes in sich auf, bevor er die Ghoule zudeckte und hinausging. Der Nebel, der die beiden Männer erwartete, war genauso beständig, wie die nagenden Zweifel in Icherios Innerem. Voller Neid betrachtete er seinen Begleiter, der trotz der Ereignisse der letzten Tage mit einem leichten Lächeln auf den Lippen die Treppen nach unten

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