Alchemie der Unsterblichkeit
noch aufsuchen.«
Der Pfarrer ließ sich nicht so leicht ablenken und tat, als hätte er Icherios nicht gehört. »Wie geht es dir, Lynnart?«
Der Flurhüter lächelte ihn verkrampft an. »Besser, danke der Nachfrage.«
Der Geruch von verbranntem Fleisch hing verräterisch in der Luft. »Schlimme Zeiten«, mischte sich Icherios ein. »Wahrlich schlimme Zeiten, wenn ein sogenannter Diener Gottes zum Mörder wird.«
»Wie bitte?« Der Pfarrer war zu geschockt, um seiner Empörung gebührend Ausdruck zu verleihen. Einzig die immer stärker werdende Rötung seines Gesichtes zeugte von seiner Aufregung.
»Wir haben mit Meister Belwin gesprochen.«
»Und er bezeichnet mich als Mörder?« Der Pfarrer legte seine Stirn in Falten und verschränkte seine Arme vor der Brust.
»Das nicht, aber er sagte uns, dass Sie die Leichen verbrannt haben.«
Eva Kolchin wollte Einspruch erheben, doch ihr Mann brachte sie mit einem strengen Blick zum Schweigen.
Der Pfarrer zuckte zusammen. Er zögerte, dann seufzte er. »Ich habe die Leichen verbrennen lassen, aber ich habe nicht gemordet.«
»Warum habt Ihr das getan?«
Der Pfarrer umklammert sein Kreuz. »Ich kann es nicht dulden, dass Vampire und Werwölfe in geheiligtem Boden liegen. Die Seelen der Menschen sind in Gefahr in der Nähe solch unheiliger Kreaturen.«
»Warum habt Ihr nicht einfach das Anlegen eines anderen Friedhofes angeordnet?«
»Das wollte ich auch, doch Rabensang erhob Einspruch, und dem Fürst ist das Seelenheil der Menschen nicht wichtig genug.«
»Wir befürchteten«, erklärte Kolchin, »dass es zu Unruhen führen könnte. Die Werwölfe und Vampire würden glauben, dass sie als weniger Wert erachtet würden.«
»Das sind sie doch auch«, brummte der Pfarrer.
»Und was sollte Sie daran hindern, sie zu töten?«
»Die Angst um die Menschen in meiner Gemeinde. Sie sehen doch, zu was es führt. Noch ein Mord und sie werden über uns herfallen.« Der Pfarrer zerrte an seiner Kette. »Und mit Sicherheit erschaffe ich keine untoten Bestien.«
Icherios erschienen die Worte des Pfarrers glaubhaft. Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand mit seinem Hass auf alle nichtmenschlichen Kreaturen so weit gehen würde, Ghoule ins Leben zu rufen.
»Wir wissen, dass Sie es nicht allein waren.«
Der Pfarrer stöhnte. »Also gut, was bringt leugnen noch? Der Bürgermeister hat mir geholfen. Er war mir etwas schuldig.«
»Gibt es Beweise dafür, dass Sie nicht der Mörder sind? Jemand, der bezeugen kann, dass Sie sich in den Mordnächten nicht in der Nähe der Opfer befanden?«
»In der Nacht, in der Merelle starb, war ich bei Frau Amersbach, die im Sterben liegt. Sie und ihre Familie können bezeugen, dass ich keine Gelegenheit zu diesem Verbrechen hatte. Sonntagnacht habe ich die heilige Messe gelesen und die Beichte abgenommen.«
Icherios glaubte ihm. Bernsten passte nicht in das Bild eines hinterlistigen und vorbereiteten Mörders. Er würde spontan und voller Wut töten, aber nicht mit Hilfe von Alchemie oder untoten Geschöpfen. »Habt Ihr eine Ahnung, wer der Täter sein könnte?«
»Kein Mensch, so viel steht fest.« Das Gesicht des Pfarrers zeigte vollkommene Überzeugung. »Das sind Streitigkeiten unter den Gottlosen.« Er umklammerte sein Kreuz. »Wir sind alle verloren.«
»Ich werde eine Bestätigung vom Bürgermeister einholen.«
»Ich komme mit.« Kolchin ging zur Tür, doch seine Frau war schneller und hielt ihn zurück.
»Du gehst ins Bett. Für heute hast du dich genug angestrengt. Und der Pfarrer will sicher noch mit dir sprechen.« Eva vermied jeden Blickkontakt mit Bernsten.
Icherios setzte seinen Kastorhut auf, tippte gegen die Hutkante und verabschiedete sich.
23
Der Bürgermeister
G
Icherios traf Arken in seinem Arbeitszimmer zusammen mit Kindel an. Die beiden waren über Papiere gebeugt, die ihm der Gehilfe zur Unterzeichnung vorlegte.
Der junge Mann zwinkerte Icherios verschmitzt zu. »Ich hörte, Sie hatten eine Begegnung mit einem alten Bären?«
Icherios zwang ein verkrampftes Grinsen auf sein Gesicht. »Dem Fürsten sei dank, geht es dem Tier nicht so gut wie mir.«
»Was soll das Gerede von Bären?«, fluchte der Bürgermeister. »Wir haben bedeutsame Arbeiten zu erledigen. Kann ich Ihnen helfen, oder sind Sie nur hier, um mir die Zeit zu stehlen? Schlimm genug, dass Sie meinen Haushalt durcheinanderbringen.« Arken holte tief Luft, dann polterte er weiter. »Maribelle sorgt für mehr Unruhe, als eine Herde Schweine.
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