Alchemie der Unsterblichkeit
Rabensang seine Faust auf den schweren Holztisch. »Wir müssen den Mörder fangen. Das ist das Einzige, das wirklich helfen wird.«
»Und wer soll das tun?«, fragte der Bürgermeister. »Dieser Ceihn? Er hat bisher mehr Ärger verursacht, als dass er irgendwelche Resultate gebracht hat.«
Alle wandten sich zu Icherios um. Ihm wurde bewusst, dass er sich nicht länger besinnungslos stellen konnte. Er gab ein leises Stöhnen von sich und bewegte seine Augenlider.
»Wir sollten ihn den Werwölfen und Vampiren überlassen, dann hätte er wenigstens einen Zweck.«
Kolchin schnappte entsetzt nach Luft. »Wie können Sie so etwas sagen?«
Icherios versuchte zu sprechen, doch seine Kehle fühlte sich ausgetrocknet und wund an. Kolchin reichte ihm ein Glas Wasser und stellte sich an seine Seite.
»Das sind die Nachwirkungen des Bisses«, erklärte Sohon. »In einigen Tagen wird es besser werden. Bis dahin müssen Sie viel trinken.«
»Er wurde gebissen?«, verlangte der Pfarrer zu wissen. »Das hat niemand erwähnt.«
Rabensang nickte. »Es war Chaelas Bruder.«
»Dann können wir ihn nicht gehen lassen«, stellte der Bürgermeister fest. »Wenn er stirbt und sich in einen Strigoi verwandelt, könnten sie die Spur zu uns zurückverfolgen. Wir sollten ihn zur Beruhigung der Vampire und Werwölfe opfern.«
Der Flurhüter schüttelte wortlos den Kopf. Er war zu entsetzt, um etwas hervorzubringen.
Überrascht verfolgte Icherios, wie Sohon sich für ihn einsetzte. »Ich gab ihm mein Wort, dass er Dornfelde verlassen darf, falls er den Mörder fasst. So lange bleibt er unversehrt.«
Erst jetzt wurde Icherios bewusst, was es bedeutete, von einem Vampir gebissen worden zu sein. Er würde nach seinem Tod zu einem geistlosen Blutsauger werden und seine Chancen, den Ort lebend zu verlassen, waren ebenso rapide gesunken. Seine Gedanken schwirrten nur so. Aber darüber würde er sich später Sorgen machen müssen. Zuerst musste er die nächsten Stunden überleben.
Der Pfarrer ging zum Kamin hinüber, griff einen Haken und stocherte wütend im Feuer. »Was hat er denn bisher gebracht? Nichts als Ärger! Der Aufruhr ist nur seine Schuld.«
Das Wasser hatte Icherios geholfen. Er konnte, wenn auch nur krächzend, widersprechen. »Meine? Wer hat denn die Menge mit haltlosen Beschuldigungen aufgestachelt?«
»Hätten Sie Ihre Arbeit getan, wäre der Mörder längst tot. Jedes einzelne Opfer haben Sie mit ihrer Unfähigkeit auf dem Gewissen!«
Icherios zitterte vor Zorn. »Ich sagte es bereits heute Morgen. Ohne Informationen kann ich keinen Mörder stellen. Ständig stoße ich auf Geheimnisse und verschwende Zeit mit der Aufklärung von Dingen, die man mir von Anfang an hätte offenlegen müssen. Warum erzählte mir niemand von den seltsamen Umständen beim Tod von Kolchins Vater und Lorettas Mutter?«
Der Bürgermeister schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Das sind Familienangelegenheiten. Sie haben nichts mit den Morden zu tun.«
»Was ist daran Familienangelegenheit, Leichen beiseitezuschaffen und mich einen ganzen Tag umherreiten zu lassen? Was ist daran eine Familienangelegenheit, dass es offensichtlich Unstimmigkeiten über die Besitzverhältnisse der Ländereien gibt? Was ist daran eine Familienangelegenheit, dass der Pfarrer mit Kolchins Frau schläft?«
Bei dieser Enthüllung kehrte Stille ein, nur das leise Knacken des Holzes im Kamin war zu hören. Icherios drehte sich zu Kolchin und hob entschuldigend die Hände. »Es tut mir leid, dass ich nicht früher davon gesprochen habe. Ich wollte erst Gewissheit haben und die Umstände aufklären.«
Kolchins Blick hastete von Icherios zu Bernsten. Dann ergriff er einen Brieföffner mit langer, schmaler Klinge und stürzte sich mit einem Aufschrei auf den Pfarrer. Rabensang war allerdings schneller und konnte ihn im letzten Moment abhalten, dem Pfarrer die Kehle aufzuschlitzen. Entsetzt taumelte Bernsten nach hinten und verbrannte sich die Hände am Feuer. »Sie sind genauso verrückt wie Ihre abscheuliche Frau.« Dann wandte er sich an Icherios. »Wie können Sie es wagen derartige Anschuldigungen zu erheben?«
»Ich habe Sie Montagnacht mit Eva Kolchin in der Kirche gesehen. Womit erpressen Sie sie? Sie würde sich wohl niemals freiwillig mit Ihnen einlassen. Haben Sie gedroht, sie als Hexe zu verbrennen?«
»Sie ist ja auch eine. Ich habe sie genau beobachtet. Nichts, das man ihr antut, wäre vor Gott ein Verbrechen.«
»Sie sind aber doch ein Priester!«
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