Alchemie der Unsterblichkeit
Selbst Sohon wirkte entsetzt.
»Das Zölibat gebietet nur, sich mit keiner Frau einzulassen. Sie ist keine Frau, sondern eine Hexe, ein Dämon aus der Hölle.«
Kolchins Kehle entrang sich ein weiterer Schrei. Er versuchte, sich loszureißen, doch Rabensang hatte ihn fest im Griff. »Das ist er nicht wert.«
Bernsten hielt sein Kreuz in die Höhe. »Es ist eine Höllenbrut. Ich werde sofort veranlassen, dass Sie und Ihr Balg auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Den Flurhüter hat sie schon um den Verstand gebracht. Man muss ihn einsperren und für ihn beten.«
»Wie können Sie es wagen.« Sohon packte den Pfarrer an der Kehle. »Sie missbrauchen die Frau und wollen sie obendrein verbrennen? Ich gebe Ihnen zwei Tage, um Ihre Sachen zu packen und aus dem Ort zu verschwinden. Sollten Sie jemals zurückkehren, ein weiterer Abgesandter Ihrer verdammten Kirche hier auftauchen oder Nachricht an mein Ohr dringen, dass Sie etwas über die Existenz von Werwölfen und Vampiren verraten haben, werde ich Sie jagen und in einen Ghoul verwandeln, sodass Ihre Seele niemals zu Ihrem Gott aufsteigen kann.«
Bernsten riss sich los und strich über seinen Talar. »Das werden Sie noch bereuen.« Dann ging er zur Tür und verließ das Haus.
Stille kehrte ein, bis hastige Schritte auf der Treppe zu hören waren. Kurz danach stürmte Loretta herein. »Herr Ceihn, kommen Sie bitte, schnell! Maribelle geht es schlechter.« Sie wartete nicht darauf, dass Icherios ihr folgte, sondern eilte sofort zu ihrer Schwester zurück.
Icherios humpelte die Treppe hinauf. Seine restliche Hoffnung war dahin. Maribelle lag im Sterben, und er wusste nicht, was er tun sollte. Er blickte aus dem Fenster. Die Sonne neigte sich den Baumwipfeln entgegen. Vermutlich würde Maribelle mit den letzten Sonnenstrahlen ihr Leben verlieren.
Lorettas Schwester lag im Bett. Sie war ein Schatten ihrer selbst. Abgemagert und blass hob sich ihre Brust nur leicht durch ihr schnelles, flaches Atmen. Ihr Körper schöpfte die verbliebenen Kraftreserven aus, um dem Tod so lange wie möglich entkommen zu können. Ihre Augen leuchteten so rot, dass sie aussahen, als wenn sie voller Blut wären und bald platzen und auslaufen würden. Immer wieder warf sie den Kopf von einer Seite auf die andere und rief nach ihrem verlorenen Bruder.
»Könnt Ihr nicht helfen?«
Icherios schüttelte den Kopf. Er hatte versagt.
Plötzlich richtete sich Maribelle auf und packte mit ihren abgemagerten Händen Icherios’ Unterarm. »Findet meinen Bruder.«
Dann schlossen sich ihre Augen. Ihre Brust hob sich nicht mehr. Zögerlich legte Icherios einen Finger an ihren Hals. Er fühlte keinen Puls. Um ganz sicher zu sein, holte er einen Spiegel aus seiner Tasche und hielt ihn ihr unter die Nase. Keine Feuchtigkeit bildete sich auf der Oberfläche. Sie war tot.
Loretta schluchzte auf und sank über den Körper ihrer Schwester zusammen. Eine ganze Weile verging. Dann kamen der Fürst und der Bürgermeister herein. Arken erfasste die Situation mit einem Blick. »Wenigstens haben wir jetzt wieder Ruhe hier oben.«
Loretta fuhr auf, aber ihr Zorn richtete sich nicht gegen ihren Vater, sondern gegen Icherios. »Ich habe Euch angefleht, sie zu untersuchen, aber Ihr habt Euch geweigert. Ihr hättet sie retten können, wenn Ihr Euch nur bemüht hättet! Ihr seid Schuld, dass man sie ermordet hat!«
»Sie wurde ermordet?«, fragte Sohon überrascht.
»Jemand hat sie vergiftet, doch der werte Inspektor war zu beschäftigt, es mit deiner Hure von Schwester zu treiben.« Loretta holte tief Luft. Dann wurde sie ruhig, straffte die Schultern und schaute Icherios eiskalt in die Augen. »Ich verfluche Euch!« Sie wandte sich um und stolzierte hinaus.
Icherios stand mit gesenktem Kopf, zitternd wie ein geprügelter Hund mitten im Raum. Sohon musterte ihn abschätzig. »Ihr macht Euch nicht viele Freunde.«
Der Bürgermeister ging zum Fenster hinüber und schloss die Läden. Maribelle hatte tatsächlich mit den letzten Sonnenstrahlen ihr Leben ausgehaucht.
»Ich werde dafür sorgen, dass sie entfernt wird. Jemand muss die Grabesrede halten, jetzt da der Pfarrer weg ist. Ein weiterer Verdienst des Inspektors.« Er schritt zur Tür. »Heute gab es genug Ärger. Sperren Sie sich in ihre Kammer ein, und kommen Sie nicht wieder heraus.
Icherios verdrängte seine Gefühle. Die höchste Tugend ist die Freiheit von Emotionen. Nie zuvor war ihm der Leitsatz so hilfreich erschienen.
Sobald sie allein waren,
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