Aldebaran
nur nachdenklich. Aber es war nicht Abdul, der ihm Sorgen machte. Es gab da eine ganze Reihe von Fragen, die er noch nicht geklärt hatte. Hatte Amina seine Nachricht erhalten oder nicht? Wer waren die Typen, die ihn zusammengeschlagen hatten? Steckten sie mit diesem Ricardo unter einer Decke? War Ricardo der Kerl, der gestern Abend im Mas gegessen hatte?
»Wer ist Ricardo?«, fragte er Lalla.
»Er … Er ist der Chef vom Habana. Der Typ, für den wir arbeiten.«
Lalla war jetzt in Verlegenheit. Sie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte und was besser nicht. Amina hatte ihr keine Anweisungen gegeben. Na ja, dachte sie, sie würde sich auf nichts einlassen, wenn sie von Ricardo sprach. Sie musste ja nicht erzählen, dass Ricardo für alles aufkam und nur mit den Fingern zu schnippen brauchte, damit Amina zu seinen Diensten war. Vielleicht hatte Ricardo das heute Abend vor. Aber nein. Amina hatte gesagt, dass er sie nur zum Essen eingeladen hatte. Wenn er mit ihr schlafen wollte, bestellte er die Mahlzeit bei einem Partyservice und ließ sie zu Amina bringen. Für diese Augenblicke gab es immer Champagner. Das hatte Amina ihr erzählt. Ganz das feine Leben, hatte sie gedacht.
»Das wusste ich ja gar nicht«, sagte Nedim, »dass du Gaby kennst … Ehm, Amina meine ich.«
»Und ich wusste nicht, dass du ihr begegnen würdest. Ich wusste auch nicht, dass sie im Habana arbeitet, verstehst du. Das ist Zufall. Bei dir laufen die Fäden zusammen«, sagte er freundlich.
Diamantis hütete sich zu sagen, dass er Amina in ganz Marseille gesucht hatte. Davon erwähnte er nichts. Natürlich auch nicht, dass er wegen ihr zusammengeschlagen worden war.
Lalla beobachtete Diamantis. Das war also der Typ, den Amina vor so langer Zeit kennen gelernt hatte. Sie musste ihn sehr geliebt haben, so aufgewühlt, wie sie war, nachdem sie ihn gestern gesehen hatte. Lalla verstand, dass sie ihn wieder sehen wollte. Sie spürte schon nach wenigen Worten, dass er in Ordnung war. »Er ist mein Freund«, hatte Nedim gesagt. Ganz stolz hatte er das gesagt. Sie versuchte, sich Diamantis jung vorzustellen. Amina und ihn, ganz jung die beiden. In ihrer Fantasie passten sie gut zusammen, fand sie.
»Was ist Ricardo für einer?« Diamantis’ Blick traf auf Lallas. Sanft, aber entschlossen.
»Ricardo …« Der Mann, den sie beschrieb, passte aufs Bild von dem Mann, den er im Mas von hinten gesehen hatte. Ihre Beschreibung seines Gesichts entsprach seiner Vorstellung von ihm. Lalla beschrieb ihn gut. Gerade gehässig genug, um zu zeigen, wie sehr sie diesen Mann verabscheute. Der Mann, dachte Diamantis, der ihn zweimal zusammenschlagen ließ. Zusammenschlagen und erniedrigen. Der die Liebe zwischen Amina und ihm zerstört hatte.
»Kennst du Ricardo?«, unterbrach Nedim.
»Ist er ihr Mann?«, fragte Diamantis.
»Ihr Mann?«
Lalla lachte leise. »Nein, nein … Sie haben vor langer Zeit zusammengelebt. Aber Ricardo ist nicht von der treuen Sorte, verstehen Sie. Nun, jetzt ist es anders, er …«
Liebe Güte, was soll ich nur sagen?, dachte sie. Warum stellt er mir all diese Fragen? Warum wartet er nicht, bis Amina ihm alles erzählt? Was wusste sie denn, was Amina wollte, das Diamantis erfahren sollte oder nicht.
»Er hat sich um mich gekümmert, als ich klein war. Er und Amina. Und Aminas Mutter auch, sie ist es, die mich aufgezogen hat.«
»Hattest du keine Eltern?«, fragte Nedim.
Lalla kam sich immer verlorener vor. Warum das alles aufrollen? Sie spürte Diamantis’ Blick noch immer auf ihr. Das war kein Gaffen. Er sah sie an, als wollte er in ihrem Herzen lesen.
»Nein. Amina hat gesagt …«
Diamantis fühlte Lallas Unbehagen wachsen. »Wir sind wirklich indiskret. Es tut mir Leid, Lalla. Solche Fragen stellt man nicht.«
Nedim sah Diamantis an. Er hatte Recht. Er wandte sich an Lalla, tätschelte ihre Hand.
»Tschuldige uns.« Er hätte sie am liebsten in den Arm genommen, sie getröstet, ihr eine Familie erfunden, ihr seine geliehen. Er wollte sie lieben, nicht besteigen, nein, sie lieben, zärtlich, vorsichtig, ja, mit sehr viel Zärtlichkeit, er würde ihr nicht gleich den Schwanz hineinstecken, nein, er würde sie streicheln, mit Küssen bedecken, danach ja, danach würde er kommen, wenn er spürte, wie ihr Begehren mit seinem verschmolz und seines mit ihrem, zu einem … Zum Teufel, Nedim, dachte er, du bist ja verliebt!
Nedim und Lalla sahen sich im selben Augenblick an und lächelten. Diamantis überraschte ihre
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