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Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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übernommen hatte, hatte er den Kanal studiert wie ein Schüler. Die Namen der Schleusen. Gatun Lake. Pedro Miguel. Miraflores. Länge, Breite, Tiefe. Er hatte sich mit allen Risiken befasst. Alles gelesen, was darüber geschrieben worden war. Und jetzt war er dort, vor dem Panamakanal.
    Stolz hatte er sich vor der Einfahrt eingefunden, in einem Konvoi von siebzig Schiffen. Man hatte ihn gewarnt: »Das ist keine Ecke für Anfänger. Das ist keine Ecke für Tollpatsche. Unmöglich, dort mit einer unerfahrenen Mannschaft durchzukommen … Man kann sich auch nicht auf den Ersten Offizier verlassen, um die Maschinen zu drosseln und wieder hochzufahren, das Wasser in den Heizkesseln zu überprüfen, den Druck der Instrumente; all das ist eine Frage der Erfahrung …«
    Er trug seine Uniform mit den Epauletten, um zu demonstrieren, dass er niemand anderem die Leitung des Manövers überlassen würde. Aber als er im Ruderhaus ankam, hatten die Lotsen die Kontrolle bereits übernommen.
    Abdul hatte den Befehl von seiner Reederei eine Stunde zuvor erhalten. Die Lotsen aufnehmen, die vor Ort gesandt wurden, und ihnen die Leitung der Durchfahrt überlassen.
    »Das kann ich selbst«, hatte er zurückgefunkt.
    Niemand bezweifelte das. Aber die Lotsen waren in den Vereinigten Staaten extra für die Fahrt durch den Kanal ausgebildet worden. »Die Schwierigkeiten dort übersteigen jede Vorstellungskraft«, hatte man ihm noch mit auf den Weg gegeben. »Man kann dem Ärger nicht entrinnen, wenn er einen antreibt.«
    »Backbord, 20«, rief der Lotse.
    »Backbord, 20«, wiederholte der Rudergänger.
    »Voll nach Backbord.«
    »Voll nach Backbord.«
    Der Maat am Ruder hatte den Befehl wiederholt, und er, erniedrigt und als müsste er wenigstens ein bisschen mitmachen, wiederholte ihn ebenfalls, starr und gedämpft hinter dem Lotsen. Sie passierten Gatun Lake bei Vollmond. Die Eridan machte ihren Weg durch ein Labyrinth unzähliger Inseln. Die grünen Sterne mit dem steten Licht markierten die Linie der Baken in der Fahrrinne. Die Bojen mit dem blinkenden grünen Licht die Untiefen.
    »In Wirklichkeit ist hier überhaupt kein Kanal mehr«, sagte der Lotse. »Nur noch Dreck.«
    »Wieso das?«, fragte er.
    »Dreck und Unrat. Sie schmeißen alles rein. Kanister, Müll. Der Kanal erstickt darin. Der Dschungel siegt.«
    Abdul stürzte zwei tiefe Schluck Whisky hinunter.
    Er hätte die Eridan führen können. Durchkommen können. Seine Autorität beweisen. Sich beweisen. Kapitän ohne Kommando. Unerfahrene Seeleute. Schiffe ohne Reeder. Der Dschungel siegt. Kakerlaken, Ratten, Rost.
    »Alle Mann nach Steuerbord!«, grölte er.
    Diese Stimme, die nicht die seine war.
    »Alle Mann nach Steuerbord.«
    »Langsam zurück.«
    Er trank weiter. Dann hörte er Stimmen. Nicht die der Lotsen. Vertraute Stimmen. Diamantis. Nedim. Und eine Frauenstimme. Eine Frau an Bord! Bei Gott, das hatte er nie zugelassen, eine Frau an Bord.
    Einer war es gelungen, sich auf das Schiff zu stehlen. Einer Mulattin. Wo war das noch gewesen? In Callao. Sie musste die Hafenarbeiter bestochen haben. Oder sie war mit dem Hafenmeister ins Bett gegangen. Nein, das war nicht in Callao. Er setzte sich auf eine Stufe vor dem Eingang zum Ruderhaus. Ihr Blick hätte einem Toten eine Erektion verschaffen können. Buenaventura. Ja, da wars. In Buenaventura, der Perle des Pazifiks.
    Er lachte. Nedim hatte Buenaventura verpasst. Die Bamboo Bar. Umwerfende Frauen. Die Seeleute mit den Taschen voller Präservative, die ungeduldig darauf warteten, in die engen Gassen auszuschwirren. Bis zur Bamboo Bar. Eine Traumfrau. Sie trug nichts als einen pistazienfarbenen Badeanzug. Schlank und ziemlich groß. Aufreizender als eine Sondernummer von Penthouse. Sie flanierte lässig auf dem Deck.
    »Ich bin gekommen, um Sie zu befriedigen«, sagte sie in schlechtem Englisch.
    Sie warf ihm ein tödliches Lächeln zu und ließ ihre Augen zwischen seine Beine wandern. Sein Glied straffte sich, er konnte die Erektion nicht verhindern. Die Mannschaft versammelte sich um ihn herum. Die Neuigkeit hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Männer umkreisten ihn und die Frau. Niemand sagte ein Wort. Mit strammem Schwanz in Bereitschaftsstellung. Jeder Einzelne bereit, in die Dame einzudringen, die ihre Dienste für die gesamte Dauer des Aufenthalts zur Verfügung stellte. Gegen ein paar Dollar natürlich. Cash, das verstand sich von selbst.
    Er ließ die Polizei rufen.
    Keine Frau an Bord während des

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