Aldebaran
das interessierte ihn. Sie und noch mal sie. Diese verfluchte Rostlaube wollte er vergessen.
»Diamantis soll endlich mit Amina zurückkommen, dann könnten wir verschwinden.«
»Sie kommen schon noch«, beschwichtigte Lalla. »Wir haben doch Zeit, oder nicht?« Sie lächelte wieder und strich ihm mit den Fingerspitzen über die Wange. »Hast du es so eilig?«
Sein Schwanz richtete sich hoffnungsvoll auf. Eilig nicht, nein, aber mit Ausnahme der drei Nutten, die er in den ersten Monaten gehabt hatte, seitdem, na ja … Die einsamen Vergnügen, auch wenn durch Bilder von Aysel begleitet, werden mit der Zeit langweilig.
In dem Moment drehte Abdul sich zu ihnen um. Was er sah, gefiel ihm gar nicht. Dieses Mädchen hatte wirklich nichts im Kopf, wenn sie sich so an diesen jämmerlichen Nedim hängte. Lallas und Abduls Blicke trafen sich. Lalla küsste Nedim auf die Wange.
Eine echte Schlampe, dachte Abdul. Das macht sie nur, um mich zu erregen. Mich zu provozieren. Genau, sie benutzt Nedim, um mich zu provozieren. Dich krieg ich schon noch, du kleines Biest, dachte er. Und er ging weiter zum Schiffsbug.
»Kommt ihr?«, fragte er und schwenkte die Lampe.
Nedim hätte Lalla am liebsten hier und jetzt genommen. Auf die Schnelle. Nur um sein Verlangen zu stillen. Sein Glied drohte zu explodieren. Danach hätten sie sich Zeit gelassen. Aber das war es nicht, was er wollte. Für die Liebe mit Lalla wollte er ein richtiges Bett mit sauberen, kühlen, weichen Laken.
»Komm«, murmelte sie. Sie legte ihre Hand auf seinen Hintern und schob ihn weiter. Er hörte, wie sie ihm ins Ohr flüsterte: »He, Nedim …«
»Was?«
»Du hast wirklich einen hübschen kleinen Hintern.« Sie prustete laut los. Dasselbe fröhliche, ansteckende Lachen wie heute Nachmittag am Strand. Er lachte mit, glücklich. Und dieses Lachen befreite sie von dem heftigen Begehren, das ihre Körper gefangen hielt.
»Was ist denn so lustig?«, fragte Abdul. Er hielt seine Lampe in ihre Richtung.
»Nichts«, sagte Nedim lachend. »Nichts. Es ist Lalla, das ist alles.«
Lalla. Das Glück.
Nedim hatte alle nahe liegenden Fragen verdrängt. Das war eine seiner Stärken: nicht an morgen denken. In seiner Vorstellung sah er nur Lallas sanften Blick. Über ihn gebeugt würde sie lustvoll flüstern: »Bitte, Nedim, noch mal …« Ihr Körper würde sich ihm wie ein Bogen entgegenspannen. »Einmal noch, nur einmal …« Er stellte sich die Geräusche vor, die durch das offene Fenster drangen. Nun war dieses Treiben von einem Sinn erfüllt. Dem Sinn des Lebens. Sein Leben mit Lalla.
Nedim sah sich nicht mehr auf dem Weg in die Türkei, in sein Dorf, zu Aysel, zu diesem Elend, das für den Rest seines Lebens dort unten auf ihn wartete. Bescheuerte Gelegenheitsjobs. Hier ein paar Scheine, da ein paar Scheine. Aysels Gejammer am Abend, weil es nicht reichte, um die Kinder großzuziehen. Zwei, drei oder gar vier, die er gezeugt hätte, einfach so, zum Zeitvertreib, um nicht reden zu müssen, um die Müdigkeit und die täglichen Sorgen zu vertreiben.
Aysel, sein Dorf, seine Mutter, seine Freunde, all das schien ihm jetzt unendlich fern. Er wurde die Vorstellung nicht los, in Marseille zu leben. Eine Stadt, in der es von Griechen und Armeniern nur so wimmelte, das wusste er. Aber was soils, ein Türke konnte dort ebenso gut ein Plätzchen finden wie ein Chinese, oder etwa nicht? Er würde Diamantis um Rat fragen. Der machte den Eindruck, als würde er diese Stadt gut kennen und lieben. Vielleicht konnte er dann sogar wieder zur See fahren. Auf Roll-on-Roll-off-Frachtern oder Trampschiffen. Nur auf dem Mittelmeer fahren. Wie Diamantis gesagt hatte.
»Ja, verdammt, auch ich hab einen persönlichen Grund gefunden, auf diesem Meer zu fahren. Die Liebe. Lallas Liebe. Ja, Diamantis wird mir helfen müssen. Amina klar zu machen, dass jetzt alles etwas anders ist. Nun gut, zu Anfang wird Lalla vielleicht weiter mit Amina anschaffen müssen. Das Habana, die Zuhälter, all das. Aber nicht dass sie mir Lalla kaputtmachen.« He, er liebte dieses Mädchen, verdammt noch mal! Also musste er sie beschützen …
Jetzt standen sie alle drei am Heck. Marseille glitzerte in der Ferne. Abdul hob seinen Arm und zeigte auf die Sterne.
»Mars, Sirius, Venus …« Cepheus ließ er aus.
»Ich mag die Sterne«, sagte Lalla.
»Ich auch. Ich habe gelernt, den Himmel zu lesen. Das kann fast keiner mehr, selbst unter Seeleuten. Man vertraut in der Seefahrt auf Radargeräte,
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