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Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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jeden Laut, alles keimt, stirbt, modert und fault …«
    Abdul hatte den Ozean für die stickige, feuchte, stinkende und gelbliche Gegend um den Niger-Fluss verlassen. Er hatte die Ciudad de Manizales hineinmanövriert, die seit sechs Monaten unter seinem Befehl an der Küste Westafrikas entlangfuhr. Er schenkte sich nach, dann Lalla und Nedim. Sie stießen an. Abduls Blick blieb an Lallas hängen. Sie schien von seinen Berichten gefesselt, wie Céphée es sein konnte, abends auf ihrer Terrasse in Dakar.
    Abdul vergaß Nedim völlig und konzentrierte sich auf Lalla. Er erzählte für sie. Um sie zu verführen. Dann würde sie zu ihm kommen, wie Céphée, und die Bitterkeit der Monate auf See lindern. Er stellte sich vor, wie Lallas Körper sich an seinen schmiegte, sich mit ihm vereinte. Er dachte an ihre Pobacken an seinem Bauch, er würde sie spreizen, um besser in sie eindringen zu können. Sie würde das lieben. Wie Céphée. Genüsslich ließ er es zu, dass sein Penis sich regte.
    »Der Anker sank langsam in das träge, schlammige Wasser, und der Bug zeigte in Richtung der Strömung …«
    »Gib mir Aminas Telefonnummer«, flüsterte Diamantis zu Lalla. »Ich rufe sie an.« Er war unmerklich neben sie gerutscht.
    »Was ist?«, fragte Nedim.
    »Nichts, nichts. Außer dass Amina immer noch nicht hier ist. Das macht mir ein wenig Sorgen.«
    Lalla sah Diamantis an und merkte plötzlich, dass es schon sehr spät sein musste. Während sie Abduls Geschichten lauschte, hatte sie Amina ganz vergessen. Sie fühlte sich wohl hier, mit diesen Männern. Mit Nedim, der auf sie aufpasste, seinen heißen Kopf auf ihren Beinen. Sie kehrte zurück in die Realität und war beunruhigt.
    »Mein Gott!« Sie schaute auf die Uhr. »Was ist nur passiert?«
    »Mach dir keine Sorgen. Vielleicht hat sie es nicht gefunden, oder der Wachposten hatte keine Lust, uns Bescheid zu sagen.« Diamantis wollte nicht, dass sie sich aufregte. Gab es überhaupt einen Grund zur Besorgnis? Amina verbrachte den Abend gewiss mit Ricardo. Vielleicht verlangte er, dass sie bei ihm blieb? Oder sie war müde und hatte beschlossen, ihr Treffen auf später zu verschieben. Was auch immer. Aber Amina hatte ihn unbedingt treffen wollen. Das hatte Lalla ihm erzählt.
    »Ich gehe zum Tor und rufe sie an. Einverstanden?«
    Sie nickte. »Ich komm mit.«
    »Nein, bleib.«
    »Nimm ihr Auto«, mischte Nedim sich ein. »Du wirst doch um diese Zeit nicht mit dem Fahrrad fahren, verdammt.«
    »Er hat Recht«, sagte sie. »Schlüssel und Papiere sind in meiner Tasche.«
    Abdul beobachtete sie missmutig über sein Glas hinweg.
    »Entschuldige mich, Abdul«, sagte Diamantis und ging.
     
    Diamantis hielt hinter dem Kontrollposten. Er weckte den Wachmann.
    »Hau ab!«, murrte der.
    »Ich muss telefonieren.«
    Er nahm beim fünften Klingeln ab.
    »Ja.« Ricardos Stimme klang müde, schleppend.
    »Hier ist Diamantis.«
    »Ich dachte mir, dass Sie anrufen würden.«
    »Geben Sie mir Amina.«
    »Hören Sie«, sagte Ricardo nach kurzem Schweigen. »Ich glaube, es wäre das Beste, Sie würden herkommen. Wir müssen miteinander reden, Sie und ich.«
    »Ich will mit ihr reden.«
    »Kommen Sie, das ist besser.« Wieder klang die Stimme erschöpft.
    Ricardo gab ihm die Adresse und legte auf, ohne ihn noch einmal zu Wort kommen zu lassen.
     
    Langsam fuhr Diamantis am verlassenen Hafen entlang, nahm den Tunnel, der unter dem Alten Hafen durchgeht, kam an der stillgelegten Werft neben dem alten Kloster Saint-Victor wieder raus und fuhr Richtung Corniche.
    Im Handschuhfach fand er einen Stadtplan von Marseille. Oberhalb des Strands, hatte Ricardo ihn angewiesen. Die Traverse Nicolas. Er machte sie auf der Karte ausfindig. Mitten in einem Wirrwarr von kleinen Gassen. Mit dem Auto würde er sich darin verfahren. Er parkte am Chemin de l’Oriol und stieg die Montée de Roubion hinauf. Eine Treppenflucht, und er stand vor der Traverse Nicolas. Hier und da bellten Hunde und durchbrachen die Stille des Viertels.
    Aminas Haus war eine kleine Villa im Schutz eines Gartens. Die Einzige in der ganzen Straße, deren Fenster erleuchtet waren. Er stieß das Tor auf und durchquerte den Garten. Die Luft duftete nach Pinien. Die Eingangstür stand offen. Er trat ein, ohne sich Gedanken darüber zu machen.
    Diamantis entdeckte Ricardo auf einem Stuhl im Wohnzimmer. Er trug ein kurzärmeliges, weißes Hemd. Der Kragen war geöffnet über einer gelockerten blauen Krawatte mit weißen Punkten. Er trank

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