Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Börse mit Gold für ihn selbst.
Rasch kleidete er sich an und ging die Treppe hinauf zu einigen englischen Wachleuten, die die umgebende Landschaft beobachteten. Sein Herz wurde ihm schwer, als er die sechs Reiter kleiner und kleiner werden und schließlich verschwinden sah, und er fragte sich, wer von ihnen Avignon wohl nicht erreichen würde.
Auf dem Ritt nach Windsor hielt Alejandro sich dicht beim Führer seiner Eskorte, der unter König Edward in Frankreich gedient und die Sprache recht gut erlernt hatte. Alejandro bestürmte ihn dauernd mit Fragen, erkundigte sich nach den Namen alltäglicher Gegenstände und erbat Rat über die richtige Art, die englische Königsfamilie zu begrüßen, anzusprechen und sich zu verabschieden. Sein Lehrmeister amüsierte sich anfangs, doch nach und nach wurde er der unablässigen Fragen des jungen Mannes überdrüssig. Er war froh, als sie die Tore des Schlosses erreicht hatten und er Alejandro an seinem Bestimmungsort abliefern konnte.
Alejandro stellte fest, daß Windsor eine riesige Festung mit dicken Steinmauern und prachtvollen Türmen war, die hoch über die umgebenden Wälder ragten. Im unteren Hof wurde er von einem stattlich aussehenden Mann, der reich gekleidet und von noblem Äußeren war, begrüßt.
»Ich bin Sir John Chandos, Berater des Königs Edward und des Prinzen von Wales, und ich heiße Euch willkommen in unseren Mauern.« Der Arzt erwiderte die förmliche Verbeugung des Mannes und kam sich dabei ziemlich linkisch vor. Er war noch nicht an so höfische Umgangsformen gewöhnt.
»Pardon, Monsieur, je ne comprends pas.«
»Ach, ja«, sagte der Mann auf französisch. »Unsere grobe Sprache ist Euch unbekannt. Moi aussi , je préfère la langue française.« Er sprach auch weiter Französisch, da es die einzige gemeinsame Sprache zwischen ihm und Alejandro war. »Ich soll Euch in Eure Gemächer auf der Ostterrasse des Schlosses begleiten. Wir haben eine Suite von Räumen für Euch vorbereitet, die Ihr sicherlich annehmbar finden werdet. Der König hat großen Wert darauf gelegt, daß dem Abgesandten Seiner Heiligkeit während seines Aufenthaltes in unserem Reich alle Annehmlichkeiten zur Verfügung stehen.«
Alejandro folgte Sir John durch die Höfe in den Wohnbereich des Schlosses. Die Räume und Gänge waren von Fackeln und Kerzen hell erleuchtet, und während er unter ihnen hindurchging, sagte er: »Ich sehe, daß Öl in England nicht so teuer ist wie in Spanien.«
Sir John lachte. »Oh, es ist teuer genug, aber unser König duldet keine Dunkelheit in Windsor.«
Sie schritten durch eine geräumige Halle mit gewölbter Decke, deren Wände mit gewebten Behängen geschmückt waren, die glorreiche Schlachtenszenen darstellten; über dem Kamin hingen drei Gruppen gekreuzter Schwerter, umgeben von mehreren riesigen Geweihen.
»Welches Ungeheuer hatte denn solche Hörner?« fragte Alejandro und wies nach oben. »Lebt es hier in der Nähe? Wenn ja, dann sagt es mir, damit ich ihm aus dem Weg gehen kann.«
Sir John lachte. »Ihr braucht nichts zu fürchten, denn diese Geweihe sind sehr alt und stammen vom irischen Elch; der Vater König Edwards hat sie von den Torfmooren Irlands mitgebracht. Seit Hunderten von Jahren hat man keine Elche mehr gesehen; es heißt, sie seien doppelt so groß gewesen wie ein gutes Pferd.«
»Sie sehen eher aus, als stammten sie von einem Baum und nicht von einem Pferd«, sagte Alejandro. »Alles hier ist so groß! Ich komme mir wie ein Zwerg vor. Sind diese Plantagenets denn solche Riesen?«
»Das würdet Ihr denken, wenn Ihr sie in der Schlacht sehen würdet«, sagte Sir John und errötete dabei vor Stolz. »Sie wirken wie Goliath in einer Rüstung.«
Und ich bin kein David, dachte Alejandro.
Ein langer Tisch, groß genug für mehrere Familien, beherrschte die Mitte des Raumes. Ringsum standen mit reichen Schnitzereien verzierte Stühle. Das Rautenmuster des Fußbodens bestand aus glattem Marmor, abwechselnd schwarz und braun, und war hier und da mit gewebten Teppichen und Tierfellen bedeckt. Als sie den Raum verließen, kamen sie in einen langen, hell erleuchteten Korridor. An seinem Ende wandten sie sich nach rechts, kamen an mehreren geschlossenen Türen vorbei und blieben schließlich an einem kleinen Alkoven stehen.
Sir John öffnete die Tür und bat Alejandro hinein; der Arzt trat ein, sah sich in seinem neuen Zuhause um und war beeindruckt von den feinen Möbeln und der reichen Ausstattung.
»Ich glaube, Ihr werdet
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