Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
schon.«
Bruce gab ihr sein Telefon, das er in seiner Tasche im Wagen gelassen hatte. Sie wählte Carolines Londoner Nummer und legte sich eine Entschuldigung dafür zurecht, daß sie sie weckte.
»Vermutlich fragt sie sich, was zum Teufel aus uns geworden ist«, spekulierte Janie, während das Telefon läutete. Doch es meldete sich nur der Anrufbeantworter des Hotels, und Janie sagte ziemlich irritiert: »Wo kann sie um diese Zeit sein?« Sie sah Bruce an, während sie der Ansage lauschte, und sagte dann: »Ich wette, sie hat ihr Telefon ausgehängt.«
»Das hört sich eher nach Ted an«, sagte er und dachte an die Schwierigkeiten, die sie hatten, weil Ted seinen Piepser nicht benutzt hatte. »Ich habe eine Idee!« sagte er. »Vielleicht sind sie zusammen!«
»Kein sehr netter Gedanke«, meinte Janie. »Nach dem wenigen, was ich über Ted weiß, sind sie eher wie Wasser und Feuer.«
Sobald sie sich im Wagen niedergelassen, ihre Sachen verstaut und die Straßenkarten bereitgelegt hatten, wich die Euphorie, endlich frei zu sein, Müdigkeit und Verwirrung. Bruce streckte lustlos die Hand aus und drückte den Zündungscode des Wagens. Als der Motor zum Leben erwachte, sah er Janie an und sagte: »Meinen Sie, daß wir versuchen sollten, heute nacht noch nach London zurückzufahren?«
»Ich finde, wir sollten sofort machen, daß wir so weit von Leeds wegkommen wie nur möglich. Es gefällt mir hier nicht sonderlich.«
Sie fuhren los, und Janie beobachtete durch das Rückfenster, wie die Entfernung zwischen ihnen und dem Depot wuchs; sie winkte und sagte: »Leb wohl, Ethel ...«
Nicht weit hinter Leeds begann es zu regnen, ein milder, sanfter Regen, stetig und beruhigend. Janie schloß die Augen, lehnte das Gesicht an das kühle, feuchte Glas des Wagenfensters und nickte immer wieder ein. Bruce beugte sich vor und schaltete die Scheibenwischer ein; es dauerte nicht lange, bis deren rhythmisches Brummen eine unerwünscht einschläfernde Wirkung auf ihn hatte. Sein Kopf sank immer wieder nach unten, während er über das Steuerrad hinweg auf die dunkle, nasse Straße vor ihnen schaute, und für ein paar Sekunden schloß er die Augen. Er riß sich gerade noch rechtzeitig zusammen, um einem Schildermast auszuweichen, und steuerte den Wagen auf die Fahrspur zurück. Er wußte, er konnte nicht mehr gut genug fahren, um sie sicher nach London zurückzubringen, und so nahm er die nächstbeste Ausfahrt und suchte das nächstgelegene Hotel.
Als der Wagen in der Kieseinfahrt des alten, steinernen Gasthofs anhielt, wachte Janie auf dem Beifahrersitz auf. »Wo sind wir?« fragte sie verschlafen.
»Vor einem Gasthof«, sagte Bruce. »Ich schlafe am Steuer ein.« Er schaltete alle Systems des Wagens ab und zog die Verschlußkarte heraus. »Bleiben Sie ruhig hier, ich gehe und frage nach, ob sie Zimmer frei haben.«
»Okay«, sagte Janie. Doch als er aussteigen wollte, legte sie eine Hand auf seinen Arm. »Warten Sie«, sagte sie. »Warten Sie eine Minute.«
Er drehte sich um und sah sie an. »Was ist?«
Sie schaute in seine Augen, suchte nach der Antwort auf eine Frage, die sie noch gar nicht gestellt hatte. Er sah schrecklich müde und abgespannt aus. Sie zögerte, fragte sich, ob dies der richtige Moment sei.
Tu es, Janie, sagte sie zu sich selbst. Es ist zu lange her, und du bekommst vielleicht keine zweite Chance mehr.
Sie drückte sanft seinen Arm. »Warum nehmen Sie nicht nur ein Zimmer«, sagte sie und fügte dann rasch hinzu: »Ich meine, vielleicht ist das etwas, worüber Sie nachdenken möchten . Ich weiß nicht, ob es das ist .«
Er lachte leise und lächelte sie liebevoll an. »Im Augenblick ist es so ungefähr das einzige, worüber ich nachdenke.«
Erleichtert sagte Janie: »Vermutlich mag ich im Augenblick einfach nicht allein sein.«
Er legte seine Hand auf ihre, beugte sich vor und küßte sie sanft auf die Stirn. »Sie sind nicht allein«, sagte er.
In enger Umarmung standen sie unter der Dusche und ließen sich vom heißen Wasser die unangenehmen Folgeerscheinungen der Gefangenschaft von den müden Körpern spülen. Sie küßten sich lange und intensiv und klammerten sich fest aneinander, verschmolzen miteinander in einem fast verzweifelten Paarungsakt. Als sie aus der Dusche traten, sauber und erfrischt, und in das gemütliche Zimmer des freundlichen alten Gasthofs kamen, trockneten sie sich mit weichen Handtüchern gegenseitig ab und umarmten sich erneut. Zusammen schlugen sie den Quilt zurück; die
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