Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
auch ansonsten ein unwissender Spanier war, während seines Aufenthalts in Windsor äußerst zutreffende Vorhersagen über die Pest gemacht hat. Und wenn ich durch London reite, sehe ich Tausende von Ratten! Vielleicht ist seine Theorie doch nicht so verrückt, wie wir meinen! Und wenn es ein Heilmittel gibt, soll ich dann nicht seiner Bitte nachgeben, einen Leichnam zu exhumieren?«
»Das wird der Erzbischof nicht zulassen, Sire.«
»Es gibt keinen Erzbischof«, erinnerte Edward ihn in barschem Ton. Er erhob sich zur ganzen imposanten Größe, die allen Plantagenets zu eigen ist; sofort sprangen alle Höflinge im Raum ebenfalls auf die Füße, Gaddesdon eingeschlossen. »Er kam durch die Seuche um, habt Ihr das vergessen? Und auch wenn es einen Erzbischof gäbe, ist das nicht mein Königreich, in dem ich tun kann, was ich für richtig halte?«
»Sire, ich flehe Euch an, hört mir zu ...«, sagte Gaddesdon.
»Nennt mir einen guten Grund, warum ich mehr auf Euch als auf den Spanier hören sollte.«
Gekränkt antwortete Gaddesdon: »Auch ich habe Eure Familie beschützt, wenn auch nicht in Eurer Gegenwart. All Eure jüngeren Kinder sind unter meiner Obhut in Eltham gewachsen und gut gediehen. Und in Eltham mangelte es nicht an Ratten. Und, Sire, selbst ohne den Rat eines Erzbischofs, wie kann ein christlicher König eine solche Entwei- hung zulassen wie das Ausgraben der sterblichen Überreste eines Menschen, der schon gelitten hat?«
»An toten Bauern fehlt es uns nicht, Gaddesdon; seht Euch in den Straßen dieser einstmals schönen Stadt um! Überall verwesende Leichen! Warum keinen Nutzen aus ihnen ziehen, wenn Hernandez recht hat?«
»Haben denn diese Toten nicht schon gelitten? Warum den Fluch vergrößern, indem man die heiligen Belohnungen jener in Gefahr bringt, die noch nicht einmal bestattet sind?« Mit gekränkter Stimme fügte er hinzu: »Ich habe kein Heilmittel für diese Seuche gesehen, und mich ärgert Eure Bereitschaft, meine Leistungen zum Schutz der Gesundheit Eurer anderen Kinder herunterzuspielen.«
»Mißversteht mich nicht«, antwortete der König in verzweifeltem Ton. »Ich werte Eure gute Arbeit nicht ab. Aber in meinem Bauch, nicht in meinem Kopf, gibt es eine Furcht, daß unser Leben noch einmal vom Schrecken dieser Seuche gestört wird, vor allem jetzt, wo ich endlich wieder dabei bin, dieses geschwächte Reich zu regieren.«
»Dann, Eure Majestät, laßt bitte nicht zu, daß sein Gerede von Verhängnis und Phantasien über ein Heilmittel Euch behindert. Tut, was Ihr tun müßt, und laßt der Pest ihren Lauf, wenn es denn sein soll. Gott wird uns ein Heilmittel dagegen schenken, wenn es Sein Wille ist.«
Der König seufzte und verriet damit allen Anwesenden seine Frustration. »Genug davon, es reicht.« Er befahl, einen Brief an Alejandro zu schicken, in dem er ihm für seine Wachsamkeit dankte, sein Hilfsangebot aber ablehnte und außerdem seine Erlaubnis zu einer Exhumierung verweigerte. Dann schickte er nach seiner Tochter Isabella und hoffte, die gute Nachricht, die er eben erhalten hatte, werde sie ebenso erfreuen wie ihn.
»Vater!« rief Isabella. »Ich bitte Euch! Tut mir das nicht an! Ich werde in diesem entlegenen Land für alle Zeit unglücklich sein!«
»Isabella, ich warne Euch«, sagte der König, »fordert mich nicht heraus, denn ich werde mein eigenes Versprechen nicht brechen. Ihr werdet Karl von Böhmen heiraten, sobald ich die Vorkehrungen für Eure Reise treffen kann.«
»Großer Gott, hab Erbarmen mit mir«, schrie die Prinzessin hektisch, »denn mein herzloser König schickt mich auf eine zweimonatige Reise in die Arme eines unaufgeklärten Wilden!«
Der König sprang von seinem Stuhl auf. »Schweigt!« zischte er, wütender denn je auf seine störrische Tochter. »Ihr sprecht in Eurer lasterhaften Sprache immerhin über den Kaiser von Böhmen!«
»Soweit ich mich erinnere, ist er noch nicht gekrönt«, erwiderte die Prinzessin trotzig.
Die Wut des Königs nahm zu; er sprang vor und hob die Hand, als wolle er ihr ins Gesicht schlagen, hielt aber kurz davor inne. Schockiert von der Gewalttätigkeit ihres Vaters, wandte Isabella ihm die Wange zu und schloß fest die Augen; als der befürchtete Schlag nicht kam, machte sie sie wieder auf und erblickte die große Hand ihres Vaters Zentimeter vor ihrer Nase. Alle anwesenden Höflinge sahen deutlich, von wem Isabella ihr berüchtigtes Temperament geerbt hatte.
»Widersprecht mir nicht, Kind, denn Ihr seid
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