Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
Vom Netzwerk:
gehört. Weise Männer aller Religionen waren der Ansicht, daß der Körper eines Menschen eines seiner kostbarsten Besitztümer ist. Was kann es für ein größeres Verbrechen geben, als die Heimstatt zu stehlen, in der die Seele des Menschen während seiner Erdentage wohnt? Warum sollte seine böse Tat entschuldigt werden, nur, weil er selbst sie nicht als böse betrachtet? Gott allein und nicht ein niederer Jude hat das Vorrecht, die Natur des Bösen zu bestimmen.«
    »Ich gebe zu, Eminenz, daß Alejandros Tat unvorsichtig und unbesonnen war. Wir Juden glauben ebenfalls, daß der Körper eine geweihte Gabe Gottes ist. Aber er hat immer nach Wissen gedürstet und wird vor nichts haltmachen, um es zu erlangen. Wenn irgend jemand Bestrafung verdient, dann ich, weil ich ihm gestattet habe, zu glauben, er könne ohne die unserem Volk angemessene Demut leben. Ich bin alt und dem Ende meines Lebens nahe. Ich flehe Euch an, betrachtet das Verbrechen als meines. Erlegt mir an seiner Stelle die Strafe auf.«
    Der Bischof betrachtete den alten Mann, den nie gesehenen Freund vieler Jahre, der sich jetzt plötzlich in einen unerwünschten Feind verwandelt hatte; er sah eine zerbrechliche, müde und geschlagene Seele, ihres heidnischen Glaubens wegen zum ewigen Feuer verurteilt. Er hielt sich für einen Beschützer und Förderer der Juden in seinem Bistum; dieser Verrat an seiner wohlwollenden Gönnerschaft war ein unverzeihliches Vergehen. Mit feurigen Blicken sah er Avram an und zischte: »Wie könnt Ihr es wagen, Eurem Sohn zu gestatten, unser Vertrauen zu verraten? Ich habe den Juden von Aragon immer gestattet, friedlich, in convivencia, zu leben. Seine Heiligkeit hat mir die Verantwortung übertragen, in meinem Bistum seine Politik der Toleranz gegen die Juden in die Tat umzusetzen. Wie konntet Ihr Eurem Sohn erlauben, mich so bloßzustellen? Wenn ich die Juden in Aragon nicht im Zaum halten kann, könnte Euer Volk sich mit einem weniger mitfühlenden Hüter konfrontiert sehen!«
    Avram schwieg. Also fürchtet er, seine Macht zu verlieren, dachte er. Das war die offene Wunde, die er für sein weiteres Vorgehen brauchte. Avram wußte, daß er tatsächlich die Mittel hatte, den Bischof sehr gut dastehen zu lassen. Aber ich darf nicht wanken , dachte er, sonst willigt er nicht ein ! Sofort benahm er sich nicht mehr bittend, sondern räsonnierend. Er richtete sich höher auf und sprach mit fester Stimme.
    »Euer Gnaden, ich bin mir der Gunst bewußt, die wir Juden unter Eurem Schutz genossen haben, und wir sind dankbar für unser Wohlergehen in Eurem Reich. Auch wir haben uns bemüht, mit allen Christen in Frieden zu leben, in der glühenden Hoffnung, Menschen aller Glaubensrichtungen in den Genuß des Reichtums toleranter Zusammenarbeit kommen zu lassen.«
    Der Bischof sah Avram direkt an, da ihm die Veränderung in dessen Gebaren aufgefallen war, und fragte sich, wieso sein Versuch, ihn einzuschüchtern, mißlungen war. »Fahrt fort, Jude«, sagte er. »Noch verstehe ich Euch nicht.«
    Avram zog eine dicke Schriftrolle aus einem Ärmel seines Gewandes. »Eminenz, ich habe den Bericht über die Konten des Bistums mit dem Hause Canches mitgebracht. Es wäre mir eine Freude, diese Konten jetzt mit Euch durchzugehen. Vielleicht können wir uns wieder setzen und mit unserer Mahlzeit fortfahren. Wir beide haben vieles zu erwägen, und ich kann mit vollem Magen besser denken.«
    Nach ein paar Sekunden vorsichtigen Überle- gens wies Johann auf den Stuhl gegenüber seinem; dankbar setzte Avram sich wieder hin, und auch sein Gastgeber nahm Platz. Sie aßen schweigend, während beide sich eilends Mittel und Wege auszudenken suchten, den anderen zu manipulieren. Wieviel war zu gewinnen? Wie wenig mußte man aufgeben? Die beiden Männer, bewaffnet mit der Weisheit eines langen Lebens und reicher Erfahrungen, bereiteten sich auf ein Turnier vor, wie Krieger es selten erleben, nämlich nur mit den Waffen des Geistes. Der Bischof war plötzlich mit der glorreichen Möglichkeit konfrontiert, Summen nach Avignon zu senden, die weit über das hinausgingen, was er dem Papst angekündigt hatte. Er würde als ausgezeichneter Verwalter gelten, als sorgfältiger Treuhänder, für Seine Heiligkeit wertvoll, weil er überaus schlau mit dem Zehnten von Aragon umzugehen verstand. Avram fragte sich, was er von dem Bischof für den Erlaß der hohen Kirchenschulden gegenüber seiner Familie verlangen konnte. Für Alejandros Leben und die Chance, daß er

Weitere Kostenlose Bücher