Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
anderswo ein neues Leben beginnen konnte, würde er diesen Trumpf mit Freuden aus der Hand geben. Aber der Handel konnte nicht einfach auf Alejandros Entlassung aus dem Kerker beschränkt werden; Avram würde auf seine sichere Ausreise aus Spanien mit einer vertrauenswürdigen christlichen Eskorte drängen, die ihn auf der langen Reise beschützte.
Der Bischof rief den Akoluthen, damit dieser den Tisch abräumte, und verlangte weitere Kerzen. Nachdem diese in die Kandelaber gesteckt und angezündet worden waren, schickte er den jungen Akoluthen fort, und die beiden alten Männer saßen beieinander, bereit, ihr unangenehmes Geschäft abzuschließen.
Avram begann aus dem Gedächtnis die Rede zu halten, die er für den Fall vorbereitet hatte, daß ihre Notwendigkeit Gottes Wille war. »Ich weiß schon seit langem zu schätzen, daß Euer Gnaden meine Familie beschützt hat. Natürlich bin ich beschämt über die schreckliche Schmach, die mein Sohn Euch angetan hat, indem er die Ruhe Eures christlichen Toten mißachtete. Mir ist bewußt, daß ich Euch Eure Großzügigkeit, uns den jahrelangen Dienst an Euch zu gestatten, unmöglich zurückzahlen kann, aber ich möchte Euch gern eine kleine Demonstration meiner Wertschätzung und Dankbarkeit geben.«
Der alte Jude entrollte nun das Pergament vor den Augen des Bischofs, damit dieser die Konten sehen konnte. Johann studierte die Eintragungen aufmerksam und prüfte sorgfältig die langen Kolonnen, in denen das Jahr jeder Anleihe und der geschuldete Betrag verzeichnet waren. Einige waren schon vor langer Zeit zurückgezahlt worden, doch eine ernüchternd hohe Summe war noch unbezahlt. Man würde mehrere Jahre lang einen guten Zehnten einnehmen und keine neuen Schulden machen müssen, um nur die eigentliche Anleihe zurückzuzahlen, von den geschuldeten Zinsen ganz zu schweigen. Der Bischof verfluchte sich im stillen, weil er zugelassen hatte, daß die Schulden der Kirche bei diesem gerissenen Mann solche Ausmaße annahmen.
Avram rollte das Pergament wieder zusammen und hielt es über die Kerze, gerade außer Reichweite der Flamme. So machte der dem zuschauenden Bischof die Bedeutung dessen klar, was er zuvor gesagt hatte. »Vielleicht ist es an der Zeit, daß ich mir diese Schulden noch einmal anschaue«, sagte er. »Ich bin sicher, daß wir zu einer annehmbaren Übereinkunft gelangen könnten.«
Der Bischof begriff. »Mein Freund, Ihr seid zu liebenswürdig; ich kann Euer großzügiges Angebot unmöglich ohne Gegengabe annehmen. Vielleicht kann ich Eurer Familie von Nutzen sein, wenn sie dessen bedarf.«
Avram Canches machte seinen Vorschlag. Seine Stimme war nun stärker und beharrlicher. »Mein Sohn muß aus der Gefangenschaft entlassen werden und sicheres Geleit nach Avignon erhalten. Er braucht eine Eskorte, und da ich auf Euer Volk keinen Einfluß habe, hängt es von Euch ab, für eine passende Begleitung zu sorgen. Es muß jemand sein, den Ihr als vollkommen vertrauenswürdig kennt. Ich werde ihn natürlich für seine Dienste ansehnlich entlohnen.«
Der Bischof konnte sein Glück kaum glauben und mußte sich anstrengen, seine Erregung zu ver- bergen. Das Verlangen des Juden war unbedeutend und leicht zu erfüllen. »Und wenn dafür gesorgt ist, werden keine weiteren Forderungen erhoben?«
Avram richtete sich zu voller Höhe auf und nahm alle Würde und Kraft zusammen, die er in seiner müden Seele fand. Er schaute dem Bischof gerade in die Augen und erklärte kühn: »Euer Gnaden, dieser Dienst besitzt für mich mehr Wert als alles andere, was in Eurer Macht steht. Mein Sohn ist auf seinem Weg einfach über einen Stein gestrauchelt. Der Erlaß Eurer riesigen Schulden ist ein geringer Preis für sein Leben.«
Mit einem fast höhnischen Lächeln sprach Bischof Johann von Aragon zu Avram Canches: »Dann sind wir uns über den Handel einig, Jude; verbrennt die Rolle.«
Beide schwiegen, als Avram das Pergament an die Flamme hielt und der Raum sich mit dem übelkeiterregenden Geruch brennenden Fleisches füllte, sehr passend zu dem unwürdigen Geschäft, das in ihm abgeschlossen worden war. Als die Rolle völlig verzehrt war, wandte Bischof Johann sich an Av- ram und sagte: »Ich werde mich in Eurer Sache an einen Soldaten namens Hernandez wenden. Er hat mir bei vielen Gelegenheiten gute Dienste erwiesen; er ist ein toleranter und geduldiger Mann, und er wird froh sein, wenn Ihr ihn anstellt. Aber ich warne Euch, wenn er erfährt, daß er einen abtrün- nigen Juden
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