Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
begleiten soll, dann wird sein Preis selbst für Euren Reichtum hoch sein.«
Avram wußte, daß er seine Seele für Alejandros Freiheit geben würde, er bezweifelte, daß selbst der habgierigste Soldat soviel verlangen konnte, wie er für das sichere Geleit seines Sohnes zu zahlen vermochte. »Dann, Euer Gnaden, bitte ich Euch, eingedenk unserer langen Bekanntschaft einen guten Preis für mich auszuhandeln.«
»Ich werde mein Bestes tun,« sagte der Bischof. »Morgen in aller Frühe wird ein Bote zu Euch kommen. Er wird Euch die Einzelheiten der Vereinbarung mitteilen.«
Als Geste des Dankes verneigte Avram sich leicht. Er entbot dem Bischof seinen Gruß und fand es traurig, daß sie einander nie wieder begegnen würden, denn die Abgefeimtheit ihrer Übereinkunft verbot jede weitere Verbindung. Vor diesem Tag hatte ihm ihre Korrespondenz sehr am Herzen gelegen, denn sie war ein kundiges Spiel zwischen gleichwertigen Gegnern gewesen, und er würde sie sehr entbehren.
Der Bischof ging mit Avram zur Tür des großen Raumes, als wolle er ihn verabschieden. Zu Avrams Überraschung und Widerwillen aber beleidigte er den ehrwürdigen Juden aufs höchste: Er streckte seine beringte Hand aus und wartete, daß Avram sich zum unterwürfigen Kuß darüber beugte.
Trotzig sah Avram den Bischof an. Er starrte auf die dargebotene Hand und wünschte sich, seinen Ekel zeigen zu können, indem er darauf spuckte. Doch obwohl es sich wie ein Geschenk Gottes anfühlen würde, seine Verachtung zeigen zu können, wußte er, daß er Alejandro damit keinen Dienst erweisen würde; er schluckte seinen Abscheu hinunter, verneigte sich und vollzog die verlangte Geste der Unterwerfung. Dann richtete er sich wieder auf, starrte den Bischof einen Moment an und ging.
Der Bischof rief mit dem Klingelzug den Ako- luthen. Der junge Mann betrat geräuschlos wie immer den Raum und näherte sich seinem Vorgesetzten ehrfürchtig.
»Bruder, schickt den Koch aus, damit er sich nach diesem Schurken Hernandez umsieht. Zweifelsfrei weiß er, welche Taverne der Schuft besucht.«
»Was soll der Koch ihm sagen, Eminenz?« fragte der junge Priester.
Bischof Johann kratzte sich einen Moment am Kinn und versuchte, sich eine plausible Geschichte auszudenken. »Hmm«, sagte er, »bei Hernandez muß man geschickt vorgehen und natürlich den richtigen Anreiz bieten.« Er überlegte noch einen Moment und sagte dann: »Man soll ihm sagen, daß seine Dienste für eine wichtige Reise im Auf- trag der Kirche benötigt werden. Sagt dem Koch, er soll andeuten, daß der Lohn ungewöhnlich hoch sein wird. Und daß ich ihn binnen einer Stunde erwarte.« Mit einer Handbewegung entließ er den jungen Priester, und dieser zog sich unter Verbeugungen rückwärts zurück. »Schickt sofort meinen Schreiber herein«, sagte der Bischof.
Während der Bischof auf den Schreiber wartete, trat er auf seinen Balkon, schaute ein paar Augenblicke in den Nachthimmel hinauf und staunte wie immer über die Erhabenheit und das Geheimnis des Himmels. Welche Macht, fragte er sich, hat soviel Kraft, daß sie die Sonne auf ihren täglichen Weg um die Erde schickt? Er hatte gehört, daß es weit im Norden Länder gab, in denen zu einer Zeit im Jahr die Sonne nie vom Himmel verschwand und sich zu einer anderen kaum blicken ließ. Er wunderte sich, wie dieser Feuerball so launisch am Himmel herumhüpfen konnte. Sicher prallt er von Gottes eigenen Fingerspitzen ab, dachte er.
Nur zu bald unterbrach ihn die Ankunft des Schreibers. Nachdem dieser den Ring des Bischofs geküßt hatte, breitete er seine Schreibutensilien auf dem langen Tisch aus und setzte sich. Der Bischof diktierte.
»Dem Träger dieser Schriftrolle und seinem Reisegefährten wird hiermit sicheres Geleit garantiert von Seiner Eminenz, Johann, Bischof von Aragon.«
Der Schreiber reichte ihm das Pergament, und er versah es mit seinem persönlichen Siegel. »Und nun zum nächsten Brief«, sagte er und begann zu diktieren.
An den erwürdigen Pater Joseph vom Orden St. Franziskus, Bruder, ich grüße Euch im Namen Christi, unseres Erlösers. Durch die Gnade Gottes und zu Seiner höheren Ehre habe ich eine Übereinkunft mit dem Juden Avram Canches getroffen, die die Heilige Kirche von ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Hause Canches entbindet. In Anerkennung seines freundlichen Entgegenkommens habe ich eingewilligt, seinen Sohn Alejandro freizulassen, der sich in Eurem Gewahrsam befindet, weil er die abscheuliche
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