Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
halsbrecherischer Geschwindigkeit um die Ecke gebraust kam, nicht sah und sich zu seiner Überraschung ziemlich schnell durch die Luft segeln fühlte. Sein letzter Gedanke, ehe er mit dem metallenen Laternenmast zusammenstieß, war: Verdammte Scheiße. Yersinia pestis. Verdammte Beulenpest.
Sie saßen sich am Frühstückstisch gegenüber, und Janie las Caroline laut den Zeitungsartikel über Franks Tod vor. Als sie fertig war, legte sie die Zeitung hin, und beide Frauen schwiegen eine Weile.
Janie schüttelte den Kopf. »Kein Wunder, daß er nicht da war, als ich ihn zurückgerufen habe. Hörte sich an, als hätte er wirklich was Aufregendes entdeckt. Jetzt werden wir nie erfahren, was es war.«
»Und gestern waren wir noch mit ihm zusammen«, sagte Caroline. »Was für eine Tragödie, er war noch so jung ...«
Janie war über den Verlust zwar betroffen, aber sie hatte pragmatischere Sorgen. Es kommt einem nicht mehr so schrecklich unnormal vor, daß Leute plötzlich sterben, dachte sie bei sich. »Wir müssen den Stoff und die restlichen Bodenproben aus dem Labor holen und in die Staaten schicken. Hier werden wir nicht fertig. Lassen Sie uns gleich ins Labor fahren und mit den Vorkehrungen anfangen. Ich möchte nicht soviel Zeit verlieren.«
»Es wäre erheblich einfacher, wenn wir die ersten Prüfungen hier durchführen könnten«, sagte Caroline, die an die Berge von Zollformularen dachte, die sie nun würde ausfüllen müssen. »Vielleicht können wir das immer noch. Reden wir doch mit dem Laborleiter und stellen fest, ob wir mit jemand anderem weitermachen können.«
Janies Stimme verriet ihre zunehmende Gereiztheit. »Ich wußte, daß so was passieren würde. Ich will nicht auf einen Ersatz für Frank warten. Ich habe zu Hause ein Leben, das ich gern so bald wie möglich wiederaufnehmen würde. Ich habe seit zwei Jahren nicht gearbeitet, Caroline, und fühle mich unglaublich eingerostet. In etwas mehr als drei Wochen muß ich hier raus sein, und Sie haben sogar noch weniger Zeit. Ich will mich nicht bo- dyprinten lassen!«
Caroline, normalerweise ruhig, versuchte zu argumentieren. »Unglücklicherweise wird das nicht Ihre Entscheidung sein«, bemerkte sie. »Wenn die Sie printen wollen, dann finden sie einen Grund, ob Ihnen das paßt oder nicht. Ich kann verstehen, warum Sie Ihren Körper aus dem System heraushalten wollen, aber Sie müssen sich klarmachen, daß es früher oder später passieren wird. Die kriegen jeden. Sie werden ihnen nicht entkommen. Und ich auch nicht. Finden Sie sich also besser damit ab.«
Janie wurde rot vor Verlegenheit, als ihr bewußt wurde, daß Carolines Strafpredigt vollkommen berechtigt war. Sie bewunderte die Bereitschaft ihrer Assistentin, so freimütig mit der Person zu reden, die ihr den Geldhahn zudrehen konnte. Sie entschuldigte sich sofort. »Sie haben recht. Ich wollte nicht so ein Theater machen. Ich hab bloß so gräßliche Angst davor. Warum, weiß ich selbst nicht genau.«
Caroline lächelte. »Zerknirschung steht Ihnen gut. Sie sollten’s öfter damit probieren.«
»Das werde ich wohl auch«, sagte Janie verlegen. »Und jetzt sollten wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Wir haben ein paar neue Umstände, die hinzugekommen sind. Ich bin Ihrer Meinung, es wäre einfacher, die Analysen hier machen zu lassen, als den ganzen Kram nach Hause zu transportieren. Wir wollen das als Hauptziel im Auge behalten. Hoffentlich können wir jemanden im Institut überreden, uns zu helfen.«
»Gehen wir einfach hin. Sie wissen doch, wie schwer es in diesem Land ist, etwas per Telefon zu erledigen.«
»Guter Vorschlag. Wir können gleich gehen, wenn wir hier fertig sind. Hat keinen Sinn, darauf zu warten, daß die Hilfe zu uns kommt. Und erinnern Sie mich unterwegs daran, daß ich diesen Ausdruck abschicke.« Sie hielt einen versiegelten und adressierten Umschlag aus Manilapapier hoch.
»Geht er an John Sandhaus?« fragte Caroline.
»Ja. Er wird ihn sich gründlich ansehen. Wenn wir zurückkommen, werden wir sogar Gertrudes Schuhgröße erfahren.«
»Falls der Umschlag nicht auf seinem Schreibtisch untergeht.«
»Die Möglichkeit besteht immer. Jeder will dem armen Kerl was zeigen. Ich bin froh, daß er sich meinen Kram immer noch ansieht.«
»Da haben Sie aber Glück.«
»Ich weiß. Manchmal ist er ein Quälgeist, aber in dem, was er macht, ist er gut.«
Sie wollten gerade eine Seitenstraße nicht weit vom Institut überqueren, als Caroline einfiel, daß es am
Weitere Kostenlose Bücher