Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
ich welches finde.«
»Also gut«, sagte Alejandro.
Im Weiterreiten hielt Alejandro Ausschau nach der Art von Pflanzenwuchs, die man normalerweise in der Nähe von Wasser sah; mehrmals glaubte er, ihn gefunden zu haben, doch bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, daß es keinen oberirdischen Wasserlauf gab. Endlich erspähte er von ferne eine üppig begrünte Stelle, größer und voller als die, die er zuvor ausgemacht hatte; sie kam deutlicher in Sicht, während sie durch die flirrende Hitze der meist braunen Landschaft von Aragon ritten.
Sie brauchten nicht lange, um das Grün zu erreichen, und wurden durch eine köstliche Quelle belohnt, die mitten darin sprudelte. »Seht Ihr?« sagte Hernandez. »Ihr seid von Natur aus begabt. Ich werde Euch helfen, Eure Fähigkeiten zu entwickeln.«
Sie sattelten ihre Pferde ab, wobei Hernandez ihm zeigte, wie man es macht, und banden sie dicht an der Quelle fest, wo die Tiere nach Herzenslust saufen konnten. Krummbeinig und steif von dem langen Ritt, reckten sich die beiden Männer und packten in ein paar Schritten Entfernung ihre wenigen Habseligkeiten aus. Nach einigen Ruheminu- ten nahm Hernandez eine Steinschleuder aus seinem Gepäck und entwirrte sorgfältig die Gurte. »So Gott will, bin ich gleich mit unserem Abendessen zurück«, sagte Hernandez. Er warf Alejandro einen Feuerstein zu. »Macht uns ein Feuer zum Kochen.« Er ging ein paar Schritte weg und drehte sich dann um. »Ich nehme doch an, daß Ihr wißt, wie man das macht?«
»In der Tat«, sagte Alejandro und gab sich beleidigt. »Ihr werdet zweifellos überrascht feststellen, daß ich auch ohne Hilfe essen kann.«
»Das hatte ich nicht bezweifelt«, sagte der Spanier lachend, »denn ich habe Euch essen sehen.« Er trat in das Gehölz und kam bald darauf mit einem großen Kaninchenbock wieder. Er nahm ein Jagdmesser aus der Scheide an seinem Gürtel, häutete das Tier und weidete es auf einem großen, flachen Stein in der Nähe aus. Alejandro sah fasziniert zu, wie die Innereien entfernt wurden. Hernandez wollte sie in einiger Entfernung von ihrem Lager wegwerfen, doch Alejandro hinderte ihn daran. Er griff in die schleimige Masse und zog das Herz heraus.
»Das war ein gemeines Karnickel, denn das Herz ist klein«, sagte er.
»Dann verdient es, gegessen zu werden«, sagte der Spanier. »In solchen Dingen überlasse ich Euch das Urteil. Aber eines weiß ich sicher, und das ist, daß ein Mann mit einer Steinschleuder niemals hungrig bleibt, selbst wenn er Ratten ißt.« Er schleuderte die übrigen Innereien so weit wie möglich weg, um keine unerwünschten Beutejäger anzulocken. »Er kann Wild jagen, das man mit Pfeil und Bogen nicht erlegt. Lieber eine kleine, fade Mahlzeit als keine große, schmackhafte, was?«
Alejandro nickte unwillig, dachte aber bei sich: Ich würde lieber verhungern, als eine Ratte zu essen. Zu seiner Überraschung roch das bratende Kaninchen genau wie die Hühner, die seine Mutter fast jeden Tag zubereitete. Und es schmeckte so gut, wie es roch. Er aß es mit großem Genuß und hoffte, Gott werde ihm alle Verstöße gegen die Speisevorschriften verzeihen, die er auf seiner Reise begehen mochte. Insgeheim gelobte er ihm, nach seiner sicheren Ankunft in Avignon der hingebungsvollste und gehorsamste Jude zu werden, der je gelebt hatte.
Hernandez förderte einen weiteren Laib Brot zutage, und sie verschlangen ihn, ohne auch nur einen Krümel übrigzulassen. Ein paar getrocknete Feigen bildeten den Abschluß des Mahls, und Alejandro dachte, daß er noch nie so gut gespeist hatte. Sie füllten ihre Flaschen mit frischem Wasser aus der Quelle und tranken, bis sie zu platzen glaubten.
»Ich schwöre Euch, ich werde nie wieder an Wasser vorbeigehen, ohne zu trinken«, sagte Alejandro, der sich daran erinnerte, wie trocken seine Lippen in den drei Tagen im Klosterkerker geworden waren. Er wischte sich mit dem Hemdsärmel den Mund ab.
»Dann werdet Ihr an keinem Busch oder Baum vorbeikommen, ohne Eure Marke zu hinterlassen.«
Zu seiner eigenen Überraschung mußte Alejandro lachen. Als er sich auf die Decke legte, erschöpft von dem langen Tagesritt, aber voll und satt von gutem Essen und reinem Wasser, fragte er sich: Wie bin ich bloß hier unter diese Sterne gekommen, wo ich doch zu Hause in Cervere sein und in meinem eigenen weichen Bett schlafen sollte? Die Ereignisse der letzten paar Tage schossen ihm durch den Kopf. Wie ist es nur gekommen , daß alles eine so schlimme Wendung
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