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Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Möglichkeit, der Wut und dem Schmerz Luft zu machen, die sie in sich trug. Ihr dunkelbraunes Haar wies erste Anzeichen von Grau auf, und während sie ein paar Strähnen zurückstrich, kam ihr nicht zum ersten Mal der Gedanke ans Färben in den Sinn. Ihre Haut war hell und relativ faltenlos, wenn man bedachte, welchem Streß sie in den letzten paar Jahren ausgesetzt war; allerdings gab es dünne Linien in den Mundwinkeln, und zwischen den Augenbrauen zeichnete sich auch eine ab. Sie runzelte die Stirn, und die Linie wurde tiefer. Sie lächelte, und die Linie verging, dafür sah man die Lachfalten. Hoffnungslos, dachte sie. Ihre Beine, gut geformt und straff von jahrelangem täglichem Joggen, hielt sie für ihren größten Vorzug. Deswegen hatte sie einen kniefreien Rock angezogen, um sie zu zeigen, und Schuhe mit kleinem Absatz, um ihre Größe zu betonen. Es gefiel ihr, großgewachsen zu sein, denn das bot ihr einen Ausblick, wie ihn üblicherweise nur Männer hatten, und was sie aus dieser Höhe gesehen hatte, war bei mehr als einer Gelegenheit recht aufschlußreich gewesen.
    Sie war zufrieden, denn mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, hatte sie ihr Bestes getan. Das einzige, was sie enttäuschte, war die tiefsitzende Traurigkeit in ihren Augen. Sie hatte noch kein Makeup gefunden, mit dem sie sich hätte verbergen lassen.
    »Sie sehen toll aus«, sagte Bruce, als sie durch die Halle kam. »Besser, als ich Sie von vor zwanzig Jahren in Erinnerung habe.«
    Zufrieden, daß ihre Bemühungen erfolgreich gewesen waren, sagte sie: »Danke, gleichfalls. Ich kann immer noch nicht glauben, wie jung Sie aussehen.«
    »Ich glaube, das ist eine Folge des feuchten englischen Klimas«, sagte er sarkastisch. »Da wir gerade vom Wetter reden, heute abend ist es bemerkenswert gut. Das Restaurant ist nicht weit. Möchten Sie ein Taxi nehmen, oder sollen wir vielleicht zu Fuß gehen?«
    »Ich würde gern zu Fuß gehen«, sagte sie. »Seit ich hier bin, bin ich ziemlich träge. Zu Hause laufe ich gewöhnlich drei Meilen am Tag, und das fehlt mir.«
    »Also gehen wir«, sagte er und bot ihr seinen Arm.
    Wie charmant, dachte sie, als sie sich unterhakte. Sie gingen durch die Halle zur Drehtür und mußten sich gleich wieder trennen. Lachend glitten sie in verschiedene Abteile der Tür und wurden auf die Straße gewirbelt, wo sie sich von neuem bei ihm einhängte.
    Die Straßen Londons waren um die Essenszeit nur wenig bevölkert, und auf dem Weg nach South Kensington fühlte Janie sich sehr wohl. Sie hatte sich seit ihrer Ankunft noch keine Zeit genommen, sich etwas anzusehen, und während sie die verschiedenen Läden und Bürofenster betrachtete, fiel ihr auf, wie schlicht und einfach alles wirkte. Die Auslagen in den Schaufenstern waren zurückhaltend und auffallend frei von der grellen Werbung und den aufdringlichen Anpreisungen, die man in den Vereinigten Staaten überall antraf. Sie erinnerte sich an eine Reihe von Werbespots im Fernsehen, in denen ein derber und offensichtlich neureicher Texaner eine wohlgeborene britische Lady so schockierte, daß sie in Ohnmacht fiel, als er sie bat, ihr die Marmelade zu reichen, und sie fand, daß diese Werbespots den Unterschied zwischen Amerika und England ganz gut zusammenfaßten. Amerika besaß eine Zivilisation, deren Standards je nach Bedarf neu definiert wurden. England war zivilisiert, und die zivilisierten Maßstäbe wurden niemals angetastet. Ihr wurde klar, daß sie ungern zwischen den beiden hätte wählen müssen.
    »Sie leben schon so lange hier«, sagte sie. »Gibt es irgend etwas, das Sie vermissen?«
    »Kaltes Bier«, sagte er und lachte. »Die ein oder zwei Tage mit fünfunddreißig Grad, die ich im Juli gern hatte. Aber man gewöhnt sich daran. Ich habe total vergessen, wie es ist, auf der rechten Straßenseite zu fahren. Ich schalte mit der linken Hand. Und ich verschwende kein Wasser mehr.«
    »Mir ist aufgefallen, daß das Wasser hier nicht allzu gut schmeckt«, meinte Janie. »Ich habe mir Mineralwasser gekauft.«
    »Das tun alle, einheimisch oder nicht«, sagte er. »Ihr seid durch die Qualität des Wassers in den Staaten verwöhnt. Übrigens, ich wohne nicht weit von hier.« Er zeigte auf ein schmales Haus in einer der Seitenstraßen, als sie über eine Kreuzung gingen. »In einem kleinen Stadthaus, so ähnlich wie dieses. Ich habe die beiden oberen Geschosse. Das Haus ist schmal, aber die Zimmer sind für London recht groß und die Decken ziemlich hoch.

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