Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
wie eh und je. Er bestand darauf, selbst zu diesem Maskenfest zu kommen. Ich versteckte bei der Kapelle bereits meine Einladung für ihn.« Er beschrieb das Kostüm, das Alejandro tragen würde.
»Dann ist alles in die Wege geleitet«, sagte sie ruhig. Sie nahm das Kostüm hoch, das die Nurse für Chaucer vorbereitet hatte, und reichte es ihm. »Heute Nacht werden wir uns so ähnlich sehen wie Zwillinge.«
Chaucer nahm es und hielt es vor sich, verglich es mit dem ihren. »So scheint es, Lady.«
»Von diesem Moment habe ich während jeder Sekunde meiner Gefangenschaft geträumt«, sagte Kate. Sie sah hinunter auf die herbeiströmenden Gäste. »Père hasst Menschenmengen. Mit so vielen Leuten um sich herum fühlt er sich immer wie gefangen. Er scheut die Nähe von Fremden. Doch er wird mir zuliebe kommen, wie ich die ganze Zeit sagte. Lieber stürbe ich, als das auf mich zu nehmen, was mich hier erwartet. Und er sähe mich lieber tot, da er weiß, was ein solches Schicksal für mich bedeutete.«
»Lady, welch düstere Gedanken! Euer Père würde Euch niemals auch nur ein Haar krümmen!« Er nahm ihr Gesicht zwischen
die Hände und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich bin der Dichter, wenn ich Euch daran erinnern darf - Ihr solltet es lieber mir überlassen, derlei Dramen zu ersinnen.«
Sie lachte nervös und versuchte, die dunkle Wolke zu vertreiben, die sie mit ihren Worten hatte heraufziehen lassen. »Ich weiß; ich bin sicher, dass nichts davon eintreffen wird. Heute Nacht werde ich die Freiheit wiedergewinnen, endlich.« Sie sah Chaucer in die Augen. »Ich weiß nicht, ob ich vor Freude jubeln oder mich vor dem, was mir bevorsteht, zu Tode ängstigen soll.«
»Was gäbe es denn zu fürchten? Wie Ihr soeben sagtet, heute Nacht werdet Ihr Eure Freiheit wiedergewinnen.«
»Gottlosigkeit«, flüsterte sie. »Das Böse. Père und ich haben auf dieser Welt mehr als genug davon kennengelernt.«
»Und nun, in der Verkleidung einer frommen Äbtissin, wendet Ihr Euch an die Personifizierung des Bösen als Euren Retter.«
»Ja«, sagte sie, den Blick noch immer auf die Menge gerichtet. »Einen dieser Teufel, die angeblich die Brunnen vergiften.«
Chaucer erwiderte nichts auf ihre bittere Bemerkung. »Es ist an der Zeit«, sagte er stattdessen. Er hielt das weiße Kostüm in die Höhe und musterte es noch einmal kurz, dann warf er es zur Seite. Er umfasste Kates Gesicht und gab ihr einen zärtlichen Kuss. »Schließt mich in Eure Gebete ein.«
»Das werde ich, ich verspreche es.« Sie legte eine kleine Kohlezeichnung von sich, die er einmal bewundert hatte, in seine Hände. »Zur Erinnerung an mich«, sagte sie.
»Ich danke Euch«, erwiderte er. Er schloss die Augen und legte seine Stirn an ihre, und dann löste er sich von ihr, auch wenn es ihm das Herz brach.
20
Sie hatten zwar keinen Röntgenapparat, aber Janie wusste dennoch, dass sie bald eine weitere Operation, die jenseits ihres eng abgesteckten Spezialgebiets lag, würde durchführen müssen. Toms rechter Unterschenkel war eine breiige Masse, die an den zertrümmerten Knochen hing. Sie hatte keine Titan- oder Keramikersatzteile. Sobald sich sein Zustand stabilisiert hatte, würde sie das Bein aufschneiden und entscheiden müssen, ob es amputiert werden musste oder nicht.
Während der ersten Tage wachte er immer wieder aus seiner Bewusstlosigkeit auf und bewegte sich unruhig im Bett. Da Janie wusste, dass er unter diesen Umständen niemals gesund werden würde, schickte sie Kristina ins Labor und bat sie, nach Rezepturen für irgendwelche Medikamente zu suchen, die ihren Vater in einen schlafähnlichen Zustand versetzten, sodass sein Bein heilen konnte.
Gebe die höhere Macht, dass es heilt, dachte Janie jedes Mal, wenn sie ihn betrachtete.
Wenn Alex und sie Tom versorgten, fragte sie sich, ob er wohl die Gespräche zwischen seiner Frau und dem Jungen, den er an Sohnes statt großzog, hören konnte.
Du musst Dads Handgelenk so halten und deine Finger an diese Stelle hier legen. Genau dort ist eine Vene. Spürst du den Puls?
Ja, ich spüre ihn!
Und jetzt achte erst auf deinen Herzschlag und dann auf den von Dad. Sind sie gleich?
Seiner ist langsamer. Dafür ist meiner lauter.
Das liegt daran, dass sich zwischen dem Stethoskop und deinem Herzen nicht viel befindet. Dad hat kräftigere Muskeln.
Sie sagte nichts davon, dass die ehemals harten und glatten Muskeln seines Vaters bereits schrumpften, weil er immer in derselben Position
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