Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
wegführte, auf die beiden ineinander verschlungenen Eichen zu, jenseits derer England mit all seinen Fährnissen auf ihn wartete.
Als sich der von den Hufen des Pferdes aufgewirbelte Staub wieder gelegt hatte, murmelte Sarah: »Mögen die Götter Euch beschützen.« Sie drehte sich um und schlurfte zurück in die Kate. Als sie durch die Tür trat, fiel ihr Blick auf die kleine Truhe, die ihrer Mutter gehört hatte. Bei ihrem Anblick wurde ihr schwer ums Herz.
Er wird wiederkommen, hatte ihre Mutter zu ihr gesagt. Er wird dich bitten, ihm das zu geben, was er hier zurückgelassen hat. Gib es ihm nicht. Wenn du es tust, nimmt er es mit.
Es wird eine Zeit kommen, da es einem wichtigeren Zweck dienen wird.
Aber wenn er danach fragt, hatte die Tochter wissen wollen, was soll ich ihm dann sagen - dass es nicht hier ist? Er ist ein guter Mann, das sagtet Ihr selbst. Wie soll ich ihm in die Augen sehen und ihm wissentlich die Unwahrheit über etwas sagen, das von solch großer Bedeutung für ihn ist? Wie soll ich das tun, ohne dass er an der Schamesröte auf meinem Gesicht erkennt, dass ich es vor ihm verberge?
Ihre Mutter hatte nur gelächelt. Und so war die Truhe verschlossen geblieben, gesichert mit einem silbernen Schloss. In einem der Schränke stand ein Kelch, den sie selbst vor langer Zeit als Maikönigin benutzt hatte, bevor sie hierhergekommen war, um diesem Ort zu dienen. In dem Kelch lag ein silberner Schlüssel. Eines Tages, wenn sie jetzt auch noch nicht wusste, wann, würde sie ihn herausnehmen und die Truhe öffnen, und dann würde sie endlich, so viele Jahre nach dem Tod der alten Frau, die Schätze betrachten, die diese zurückgelassen hatte.
Sie wünschte, ihre Mutter hätte sich etwas deutlicher ausgedrückt! Ich bin nicht so klug wie Ihr, Mutter, und weiß nicht immer, wann etwas getan werden muss.
Die Zeit würde kommen, da sie allein darüber würde entscheiden müssen. Und zwar bevor sie die Truhe ihrer Tochter hinterließ.
Schließlich war sie jetzt Mutter Sarah.
Als Alejandro die beiden Eichen passierte, spürte er nicht mehr als einen kalten Hauch. Er fragte sich, ob sich mit dem Tod der früheren Besitzerin der Zauber des Ortes verflüchtigt hatte. Er war ein vernünftiger und gebildeter Mann, und dennoch glaubte er mit jeder Faser seines Herzens daran, dass diesen Ort, der dem Sitz des Herrschers über England so nahe lag und zugleich eine Welt für sich bildete, ein unerklärliches Geheimnis umgab. Er würde es niemals ergründen, da er sich nicht
vorstellen konnte, dass die Umstände es ihm jemals erlauben würden, ein weiteres Mal zurückzukehren.
Auf dem Ritt nach Windsor dachte er darüber nach, welche Richtung sein Leben vielleicht genommen hätte, wäre er dem Weg gefolgt, den sein Vater für ihn vorgesehen hatte: sein Gewerbe übernehmen, die ihm bestimmte Frau heiraten, Kinder zeugen - voll Wonne - und sie zu wohlerzogenen, fleißigen, gottesfürchtigen Menschen erziehen, zur immerwährenden Freude seiner Frau und seiner selbst, wie auch der Großeltern dieser Kinder.
Medicus?, hatte Avram mit donnernder Stimme ausgerufen, als Alejandro das erste Mal davon gesprochen hatte, was er sich erträumte. Und dieser Traum hatte sich erfüllt. Jetzt galoppierte er in einem fernen Land einen Waldweg entlang und träumte erneut von etwas, das unerreichbar schien. Die nächsten Stunden würden über den Verlauf seines restlichen Lebens entscheiden.
Er kam an vertrauten Orten vorbei - das kleine Kloster, in dem er sich im christlichen Glauben hatte unterweisen lassen, um Adeles Hand zu gewinnen, die Weggabelung, an der er wählen konnte zwischen Windsor im Westen oder dem Gut im Norden, das König Edward ihm als Belohnung für seine Dienste geschenkt hatte. Zu seiner Linken kam ein schmaler Fahrweg in Sicht. Er ließ sein Pferd langsamer gehen und brachte es schließlich zum Stehen, während ihn schmerzhafte Erinnerungen überkamen. Er verspürte eine Traurigkeit, die er nicht hätte beschreiben können, es war, als drücke ein schweres Gewicht auf seine Brust. Hier hatte er zwei wundervolle Wochen mit Adele und Kate verbracht, nur um am Ende in einen Abgrund der Verzweiflung zu stürzen. Innerhalb dieser Mauern hatte Kate gegen ihre Krankheit gekämpft, und seine Zuneigung zu ihr war mit jedem Tag gewachsen.
Adeles Warnung an Chaucer klang in seinem Kopf. Nimm dich in Acht.
Das Pferd wollte weiter, und er ließ es gewähren. Seine Hände
zitterten so sehr, dass er den Sattel
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