Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
Vom Netzwerk:
machen.«
    »Nun denn«, sagte der Soldat. »Das mögt Ihr tun. Ich bin sicher, der König weiß es Euch zu danken. Aber dann begebt Euch bitte hinauf zum großen Saal.« Er deutete erneut zum Oberen Hof.
    Alejandro nickte und wandte sich wieder dem Opferstock zu. Als er eine Münze hineinfallen ließ, ging ihm ein erfreulicher Gedanke durch den Kopf: Das ist die Bezahlung für das, was ich Euch nehme. Dieses Mal könnt Ihr es nicht als Diebstahl bezeichnen.
    Mit der kostbaren Einladung kehrte er zurück und schloss sich wieder der ins Schloss strömenden Menge an. Schon bald merkte er, dass er wie durch den Willen einer höheren Macht auf den großen Saal zugetrieben wurde. Er stemmte sich nicht dagegen, obwohl ihn das Gedränge mit jeder Minute, die verstrich, nervöser machte. Als er an der Tür anlangte, zeigte er seine Einladung vor und hoffte, dass der Wächter nicht hören würde, wie laut sein Herz schlug. Der Wächter warf nur einen flüchtigen Blick auf das Dokument und winkte ihn durch.
    In dem riesigen Saal hallte es wider von Musik und Gelächter. Überall brannten Fackeln und Kerzen und brachten die kräftigen Farben der Kostüme noch mehr zum Leuchten. Neue Erinnerungen überkamen ihn, während er sich wie im Traum durch den Saal bewegte, den eigenen Herzschlag noch immer überlaut in den Ohren.
    Irgendwo in dieser Menge befand sich seine Tochter.
    Er spürte ihre Anwesenheit so stark, als stünde sie direkt neben ihm. Durch die Schlitze in seiner Maske musterte er die einzelnen Gäste, schätzte Größe und Gewicht, überging diejenigen, bei denen es sich eindeutig nicht um Kate handelte, verweilte bei denen, die in Frage kamen. Panik erfasste ihn; hier waren so viele Menschen, und er hatte so wenig Zeit, den einen zu finden, nach dem sein Herz sich verzehrte.

    An einem Ende des Saals erblickte er ein erhöhtes Podium. Über dessen gesamte Breite waren reich verzierte Stühle aufgereiht. Davor stand ein langer Tisch, Mägde eilten geschäftig hin und her, rückten Teller und Besteck zurecht. Er blickte hinauf zur Decke und sah die riesigen Lüster über sich hängen, und auf einmal kam er sich sehr klein vor, als könne er angesichts von so viel Pracht seine Aufgabe unmöglich erfüllen. Er hatte das Gefühl, Windsor würde ihn erneut verschlingen, wie es schon einmal beinahe geschehen war.
    Er spürte, dass etwas an ihm entlangstrich, und blieb stocksteif stehen. Bitte, lieber Gott im Himmel, lass es keinen Soldaten oder Wächter sein oder, schlimmer noch, jemanden, der mein Gesicht erkennt, wenn man mich zwingt, die Maske abzulegen. So würdevoll wie möglich drehte er sich um und sah sich auf Armeslänge entfernt einer Person - er nahm an, eine Frau - im Gewand einer Äbtissin gegenüber.
    Die Äbtissin stand ein paar Sekunden lang reglos vor ihm, als mustere sie ihn. Und dann begrüßte ihn die Frau in dem fließenden weißen Gewand mit einer formvollendeten Verbeugung - nicht mit einem Knicks, wie man es erwartet hätte.
    Hinter der Maske erklang eine Stimme. »So macht man eine richtige Verbeugung.«
    Er stand verwundert da und ließ seine Gedanken ein weiteres Mal zurück zu seinem ersten Aufenthalt in Windsor schweifen. So macht man eine richtige Verbeugung, hatte ihm das kleine Mädchen erklärt. Und dann hatte das Kind, das er als Kate kannte, sich so elegant verbeugt, wie es ein junger wohlerzogener Edelmann nicht besser gekonnt hätte, einen Arm vor den Körper gelegt, den anderen auf dem Rücken. Danach hatte sie ihn breit angegrinst, und ihre sämtlichen Zahnlücken waren zu sehen gewesen.
    Aber die Stimme - konnte es die ihre sein? Die Stimme, die er gerade vernommen hatte, schien tiefer zu sein, als er sie in Erinnerung hatte.
    Inzwischen wäre sie eine Frau in der Blüte ihrer Jahre. In seinem
Geist war sie noch immer das hoffnungsvolle junge Mädchen mit dem schlichten Blumenkranz im Haar, das Guillaume Karle ewige Treue schwor. Der Kummer und die Jahre, die seither vergangen waren, hatten gewiss ihren Tribut gefordert. Er holte vorsichtig Luft und trat einen Schritt näher, dann beugte er sich vor, sodass nur die Äbtissin seine Worte verstehen konnte, und sagte: »Ich danke Euch für die vorzügliche Unterweisung. Man möchte annehmen, dass Ihr schon einmal jemanden an Euren Kenntnissen habt teilhaben lassen.«
    »Das habe ich«, erwiderte sie. »Einen Reisenden, der vor vielen Jahren hierherkam.«
    Es war ihre Stimme. Er ergriff ihre Hand.
    »Tochter«, flüsterte

Weitere Kostenlose Bücher