Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Äbtissinnengewand und hielt es vor sich.
»Nein«, sagte Benoît. »Legt es wieder hin. Euer Anblick, so spärlich bekleidet, bereitet mir Vergnügen.« Er trat zu ihr und berührte ihr Haar, strich ihr eine lose Strähne hinters Ohr. »Ich kann es kaum erwarten, Euch jeden Tag in diesem Zustand zu sehen, wenn wir erst verheiratet sind. Vielleicht sogar mehr als einmal am Tag.«
Obwohl alles in ihr danach verlangte, ihn zu schlagen, zwang sie sich, ruhig zu bleiben.
»Ich bin ein Mann mit einem gesegneten Appetit, wie Ihr bald feststellen werdet. Und ich spreche nicht vom Essen.«
Sie blickte schweigend zu Boden, nach wie vor das weiße Gewand an die Brust gepresst.
»Es erscheint mir durchaus angemessen«, flüsterte er ihr ins Ohr, »wenn ich bereits jetzt einen kleinen Bissen koste.« Er nahm ihr das weiße Gewand aus der Hand und warf es aufs Bett, wo es glücklicherweise auf die Beinkleider fiel. Dann zog er sie an sich; sein stinkender Atem schlug ihr entgegen, und sie drehte den Kopf zur Seite. Er fasste sie am Kinn und zwang sie, ihn wieder anzusehen. Sie schloss die Augen, stand stocksteif
da und versuchte, nicht zu atmen, solange sein fauliger Mundgeruch die Luft um sie herum erfüllte.
»Schließlich werden wir bald schon verheiratet sein«, murmelte er. Er griff nach den Bändern an ihrem spitzenbesetzten Hemd und löste sie mit einem Ruck.
Ihr Verlangen, ihn zu töten, wurde immer stärker. Sie stieß einen stummen Schrei aus, als er das Hemd über ihre Schulter streifte. Ihr Dolch lag nur wenige Schritte entfernt unter den Beinkleidern.
Sie stellte sich die einzelnen Bewegungen vor - den Dolch packen, sich auf ihn stürzen, ihm die Kehle aufschlitzen. Innerhalb weniger Augenblicke wäre alles vorbei.
Aber sie würde sich mit seinem Blut besudeln, und es würde nicht lange dauern, bis man sein Fehlen bemerkte. Hatte er jemanden von seiner Absicht, sie aufzusuchen, in Kenntnis gesetzt? Falls dem so war, würde de Coucy als Erstes in ihren Gemächern nach seinem Vetter suchen.
Er hatte eine ihrer Brüste entblößt, und in der kalten Luft richtete sich die Brustwarze auf.
»Ah«, sagte er, während er sich ihr mit seinem Mund näherte. »Euer Entgegenkommen erfreut mich.«
Tränen strömten über ihre Wangen, als sie das Gewicht von Benoîts widerwärtigem Körper auf sich spürte. Sie betete zu Gott, dass es schnell gehen und kein Kind dabei entstehen möge, denn wenn das geschähe, würde sie es sich eigenhändig aus dem Leib reißen.
Mein einziger Geliebter, heute ist der letzte Tag des April. Sofern alles gut gegangen ist, musst Du Dich inzwischen in der Nähe von Windsor befinden und wirst bald mit Deiner Tochter wieder vereint sein. Mein Herz frohlockt, wenn ich an die Freude denke, mit der Dich dieses glückliche Ereignis erfüllen wird.
Ist es wirklich erst wenige Wochen her, seit wir uns das erste Mal begegneten? Wenn es nach meinem Herzen ginge,
dann warst Du schon viel länger bei mir. Vielleicht warst Du stets irgendwo in meiner Nähe und hast darauf gewartet, dass Gott und das Schicksal uns zusammenführen, damit Du mir den Weg zum Glück zeigen kannst. Jeden Tag bete ich darum, dass die Zeit kommen wird, da wir sicher sind, in der wir unser Leben miteinander teilen können, ohne Angst zu haben, es zu verlieren. Das Kind, das in meinem Leib heranwächst, wird aus Liebe geboren werden und uns mit einem unlösbaren Band verbinden.
Doch nun zu einer nüchterneren Angelegenheit, auch wenn es mir kaum so vorkommt, während ich daran sitze: Die Arbeit schreitet voran. Heute Morgen nahmen de Chauliac und ich uns den Abschnitt über die Dyspepsia vor. Das liegt nahe, weil ihm die Begleiterscheinungen von seiner Krankheit her noch frisch im Gedächtnis haften. Er spricht oft von Dir, immer voll Lob, und manchmal möchte ich meinen, es liegt ihm ebenso viel daran, dass ich etwas über Dich erfahre, wie mir selbst. »Philomène«, sagt er, »Jude oder nicht, es gibt in ganz Europa keinen würdigeren Mann als ihn.« Eines ist gewiss: Seine Bewunderung für Dich wird niemals schwinden.
Ebenso wenig wie die meine. Ich habe ihm noch nichts von meinem Zustand gesagt, aber in meinem Herzen weiß ich, dass de Chauliac sich freuen wird, wenn er von dem bevorstehenden freudigen Ereignis erfährt.
Als Alejandro das bedrohlich wirkende Tor das letzte Mal passiert hatte, war es in die entgegengesetzte Richtung gewesen, hinaus in ein Land, wo ihn Freiheit und Wohlstand erwarteten, die er sich mit
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