Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
gegeben, an denen wir teilhaben könnten. Vielleicht hat ja jemand eines dieser verrückten natürlichen Heilmittel für Mr Sam für diejenigen gefunden, die keine Doppeldeltas sind. Vielleicht gibt es eine Art Impfstoff!«
Janie war nicht überzeugt. »Es wird keinen Impfstoff geben«, sagte sie. »Seit dem Tag, an dem wir uns in das Camp zurückgezogen haben, haben wir versucht, einen Wirkstoff zu entwickeln, und selbst wenn wir oder andere einen Impfstoff entdecken - Mr Sam ist ein Bakterium! Kein Impfstoff kann dagegen dauerhafte Immunität bieten wie bei einem Virus. Sechs Monate bis ein Jahr bestenfalls. Dann muss man sich neu immunisieren lassen, falls das Bakterium in der Zwischenzeit nicht mutiert ist.«
»Aber es gibt dennoch eine Reihe guter Gründe hinzugehen«, sagte Lany. »Dort draußen leben andere Gruppen - wir haben doch den Rauch ihrer Feuer gesehen. Sie können nicht alle schlecht sein.«
»Warum hat dann keiner von ihnen versucht, mit uns Kontakt aufzunehmen?«
»Aus demselben Grund, warum wir nicht versucht haben, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Sie haben Angst. Sie können
genauso wenig wissen, ob wir friedlich sind, wie wir das von ihnen wissen. Aber jetzt … Dieses Statement deutet darauf hin, dass sie freundlich gesinnt sind. Mit Sicherheit werden wir das natürlich nie sagen können, wenn wir uns weiterhin verkriechen. Ich meine ja gar nicht, dass wir schon morgen aufbrechen sollten. Aber verdammt noch mal, wir sollten es wenigstens in Erwägung ziehen.«
Alle sahen Janie an. Als sie die Blicke nicht mehr aushielt, stand sie auf und ging davon.
»Eine Erkundungstour«, sagte Lany, als sie sie eingeholt hatte. »Vielleicht solltest du es dir so vorstellen. Ich wollte dich eben übrigens nicht in die Enge treiben.«
Janie blieb stehen und drehte sich um. »Das war nicht angenehm.«
»Ich weiß. Es tut mir leid.«
»Ich bin zu alt für solche Abenteuer.«
»Nein, das stimmt nicht. Du bist gesund und kräftig. Und du bist klug.«
»In diesem Alter hätte ich normalerweise angefangen, an meinen Ruhestand zu denken. Mein Mann und ich hätten vielleicht eine Reise nach China oder eine Safari in Afrika geplant. Er war Anwalt, ich Ärztin, verdammt noch mal.«
»Jetzt ist er Invalide, und du bist einfach eine Frau.«
Janie ging nicht darauf ein. »Ich bin eine Mutter, die ein Kind großziehen muss.«
Lany sah sie ernst an. »Einen Sohn, den du dir aus einer anderen Zeit geborgt hast. Du hast ihn aus rein persönlichen Gründen in diese Welt gesetzt, nicht etwa weil es die Natur so gewollt hat. Es war eine völlig selbstsüchtige Handlung. Du hast jemanden aus einer anderen Zeit in dieses Chaos hier gezerrt, ohne zu fragen, ob er das will. Wenn das in der alten Zeit passiert wäre, dann wäre es vielleicht etwas anderes gewesen. Aber so schuldest du ihm eine Welt, in der er tatsächlich leben kann. Du hast genau wie ich etwas in dir, das vielleicht
die Möglichkeit dazu bietet. Das kann nicht jeder von sich sagen.«
»Warum muss es mich treffen?«, jammerte Janie. »Warum muss ich mich plötzlich mit Dingen herumschlagen, um die ich mich früher nie kümmern musste?«
»Diese Frage kann ich nicht beantworten«, erwiderte Lany. »Wäre ich gläubig, dann würde ich sagen, dass das alles Teil eines größeren Plans ist. Das Dumme an diesen größeren Plänen ist nur, wenn man ein Teil davon ist, kann man kaum jemals das Ganze überblicken, geschweige denn verstehen.«
Janie wandte sich erneut ab. Sie dachte an Tom und die Verletzungen, die sie sich gegenseitig zugefügt hatten. Vielleicht wäre es ja heilsam, hinauszugehen und die Verletzungen der Welt zu sehen, damit sie ihr eigenes Schicksal wieder mehr schätzen lernte. Vielleicht könnte sie ihm dann die Kraft geben, zu erkennen, welches Glück darin lag, zu leben, selbst wenn dieses Leben eingeschränkt war. Sie versuchte, Klarheit in ihre Gedanken zu bekommen; plötzlich schien ihr alles so verwirrend.
Im Grunde genommen wäre sie am liebsten auf ihr Pferd gestiegen und auf die andere Seite des Berges zurückgeritten und hätte sich dort vor der Welt vergraben. Warum sollte sie nicht zur Einsiedlerin werden - und Alex bis zu dem Tag, an dem sie starb, an ihrer Seite behalten? Ihr Sohn würde leben und eines Tages seine Gene weitergeben.
Aber dann meldete sich eine lautere Stimme in ihr zu Wort. Mehr als sechshundert Jahre nach Alejandros Tod hatte sein Geist noch immer Gewicht. Vielleicht würden auch ihre Gene und deren fast
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