Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Stuhl auf. »Das kann nicht sein!« Vor seinem geistigen Auge zogen die endlosen Reihen schwerverletzter Soldaten nach der unglückseligen Jacquerie vorbei, und er erinnerte sich einen Augenblick lang an die Gräueltaten, die de Coucy - unter Befehl von Charles von Navarra - bei der Niederschlagung des Aufstandes begangen hatte. Obgleich der Baron de Coucy damals noch ein junger Mann von erst achtzehn Jahren gewesen war, hatte er eine Ruchlosigkeit an den Tag gelegt, die eher einem älteren, abgestumpften Soldaten angemessen gewesen wäre. Als sich an jenem fürchterlichen Tag die Sonne über dem Schlachtfeld senkte, waren Alejandro und Kate durchtränkt vom Blut der gefallenen Kameraden Guillaume Karles, Kates Gatten, der möglicherweise
von de Coucy eigenhändig enthauptet worden war. Dass Kate mit dem Leben davongekommen war, nachdem de Coucy und Navarra über sie beide hergefallen waren, war einzig und allein dem Messer zu verdanken, das sie mit einer raschen und sicheren Bewegung auf de Coucys Gemächt richtete, als er sie von hinten gepackt hatte.
Jetzt sah Alejandro diese Bestie an der Seite der boshaften und intriganten Isabella. Die beiden waren wie füreinander geschaffen - wahrhaft zwei Geschöpfe der Finsternis.
Mögen sie bei ihrer Hochzeit in Schuhen aus glühendem Eisen tanzen und ihr Brautlager auf heißen Kohlen errichten.
»Gott wird eine solche Ungeheuerlichkeit gewiss nicht zulassen«, sagte er vor Zorn bebend.
De Chauliac legte Alejandro eine Hand auf die Schulter und drückte ihn sanft zurück auf seinen Stuhl. »Bitte, Kollege, wenn Ihr Euch so ereifert, trifft Euch womöglich der Schlag, und ich brauche Euch noch. Nehmt wieder Platz und beruhigt Euch. Es gibt noch mehr zu berichten.«
Der groß gewachsene Franzose goss sich ein Glas Weinbrand ein. »Wollt Ihr auch ein Glas, zu Eurer Stärkung?« Ohne die Antwort abzuwarten, goss er ein zweites Glas ein. »Seine Heiligkeit wird dieser Vermählung selbstverständlich zustimmen, da die Familie de Coucy ihn stets unterstützt hat. Das ist eine ausgezeichnete Verbindung für sie. Ganz ausgezeichnet. Natürlich gingen sie immer davon aus, dass die Braut ihres Sohnes von Adel sein würde, aber an eine königliche Abstammung wagten sie wohl kaum zu denken - die Tochter eines Königs, des Königs von England, ist mehr, als sie sich jemals erhoffen konnten. Wie jedoch jeder weiß, ist sie ein niederträchtiges Frauenzimmer, dem Satan als Gemahlin ebenbürtig, und er befindet sich gegen Lösegeld als Geisel an Edwards Hof. Edward wird alles in seiner Macht Stehende tun, damit diese Vermählung stattfindet.« Er hielt kurz inne, dann fuhr er fort: »So unfassbar es ist, es geht das Gerücht, sie seien einander in Liebe zugetan, trotz des Altersunterschieds.«
Alejandro lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und versuchte sich vorzustellen, wie Isabella jetzt wohl aussehen mochte - eine Frau von dreiunddreißig oder vierunddreißig Jahren, deren einstmals herbe Schönheit gewiss zu welken begonnen hatte. In Anbetracht von vier fehlgeschlagenen Verlöbnissen musste sie sich am Rand der Verzweiflung befinden. Der sechsundzwanzigjährige de Coucy mit seiner gesunden Gesichtsfarbe und den schwarzen Haaren stand dagegen in der Blüte seiner Jahre, ein starker, unerschrockener Ritter.
»Liebe, zwischen einem solchen Paar? Überdies spielt bei derartigen Bündnissen Liebe ohnehin keine Rolle, wie Ihr wisst. Verehrter de Chauliac, Ihr müsst mir erklären, was an dieser ganzen Angelegenheit von solcher Bedeutung ist, dass Ihr mich mitsamt dem Kind aus dem Ghetto geholt habt. Sollen Isabella und ihr teuflischer Bräutigam die Brautnacht in der Hölle verbringen! Meine Sorge gilt einzig und allein meiner Tochter.«
De Chauliac war versucht, seinen Kollegen daran zu erinnern, dass Kate streng genommen nicht seine Tochter war, aber dies schien nicht die rechte Zeit dafür. »Sie ist der eigentliche Grund, weshalb ich Euch holen ließ«, sagte er sanft. »Es scheint, als wolle der König sie als seine Tochter anerkennen, damit er sie ebenfalls vermählen kann. Mit dieser Bitte hat er sich jedenfalls an den Papst gewandt.«
Alejandro umklammerte die Armlehnen seines Stuhls und beugte sich vor. »Das darf nicht wahr sein«, sagte er.
»Ich habe das Schreiben mit eigenen Augen gesehen, Canches, ich weiß, dass es wahr ist.«
»Aber wer …«
»De Coucy hat gebeten, sie mit einem seiner Gefolgsmänner zu verheiraten, einem entfernten Vetter, Graf Benoît. Es ist
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