Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
nichts weiter, als dass Ihr den Boden beschmutzt.«
Er ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. »Nur eine Frau kann in Zeiten wie diesen an solche Dinge denken.«
Auf ihrem Gesicht erschien ein irritierter Ausdruck, doch gleich darauf glätteten sich ihre Züge wieder. »Ich fasse Eure Äußerung als Kompliment auf und hoffe, dass dies auch Eure Absicht war. Vater Guy sagte, dass Ihr mich dringend zu sprechen wünscht, nun …«
»Mir sagte er, Ihr wünschtet mich zu sprechen«, fiel ihr Alejandro ins Wort.
»Habt Ihr ihm berichtet, dass wir für heute Abend ein Treffen vereinbart hatten?«
»Aber nein! Ihr batet darum, es für mich zu behalten, und dieser Bitte bin ich nachgekommen.«
»Ich sagte ihm auch nichts davon.«
Alejandro erhob sich erneut. »Dann wusste er es also nicht.«
Sie sahen einander lange an; nach und nach wich die Spannung. Beinahe gleichzeitig fingen sie leise an zu lachen. Ihr Misstrauen verschwand, und sie begannen zu reden.
»Alle Ärzte, die in Avignon noch am Leben waren, wurden zu Beginn des großen Sterbens in den päpstlichen Palast gerufen«, berichtete er ihr. »Das war im Jahr 1348, und ich war erst kurz zuvor dort eingetroffen. Da meine Familie bald nachkommen wollte, hatte ich von der Witwe eines Wundarztes dessen Gerätschaften gekauft. Als ich zu seinem Haus kam, um mich einzurichten, fand ich an der Tür de Chauliacs Anschlag vor. Er war für den anderen Arzt bestimmt gewesen. Im Palast ließ man uns Aufstellung nehmen, und er musterte uns einen nach dem anderen. Dann schickte er die Juden weg. Ich gab mich nicht als Jude zu erkennen und hielt mich während der Lehrstunden immer im Hintergrund, um nicht aufzufallen. Aber hin und wieder musste ich einfach vortreten, da Dinge gezeigt wurden, die ich nicht verpassen wollte. Während der Zeit, die ich dort verbrachte, sezierte de Chauliac mit Erlaubnis des Papstes sogar eine Leiche.«
Nach einer nachdenklichen Pause fuhr er fort: »Ich war stets dankbar dafür, dass de Chauliac auf solch vertrautem Fuße mit dem Papst stand, denn wie ich später erfuhr, hatten wir es ihm zu verdanken, dass wir in Montpellier wenigstens eine Sektion im Jahr durchführen konnten.«
Philomène war sehr still geworden. »Ich auch«, sagte sie endlich. »Wenngleich ein Teil von mir dem Verbot, den Körper aufzuschneiden, beipflichtet. Schließlich ist er ein Tempel, den Gott uns gegeben hat, damit unsere Seelen darin wohnen, solange wir hier auf Erden weilen, und wir dürfen ihn nicht unbedacht entweihen.«
Behutsam griff er ihren Gedanken auf. »Bitte verzeiht mir - ich will Euch nicht beleidigen, aber wie sollen wir für diesen Tempel sorgen, wenn wir nichts darüber wissen, wie er erbaut ist?«
»Manche glauben, dass Gott uns führen wird. Ich sage, das tut Er, indem er uns den Willen und den Verstand schenkt, die Konstruktion dieses Tempels selbst herauszufinden. Auf diese Weise bewahren wir ihn zu Seinem Lobpreis.«
»So sind wir einer Meinung«, sagte Alejandro. »In gewisser Hinsicht.«
»Es scheint so zu sein.« Sie lächelte, dann beugte sie sich etwas näher zu ihm. »Nun würde ich gern hören, was danach geschah.«
Die Ereignisse standen ihm noch deutlich in Erinnerung, wie er jetzt merkte, und in Philomènes Gegenwart fühlte er sich so unbefangen, dass die Worte ganz von selbst über seine Lippen zu kommen schienen. »Er brachte mir bei, wie man sich vor der Pest schützen kann, hauptsächlich durch vollständige Isolierung, wie er sie Papst Clemens verordnet hatte. Ich wurde nach Windsor geschickt, um König Edward und seiner Familie zu Diensten zu sein. Meinen Bemühungen war Erfolg beschieden, auch wenn sie auf einigen Widerstand stießen, und als meine Arbeit getan war, fasste ich den Entschluss, in England zu bleiben.«
Dies schien sie zu überraschen. »Aber Eure Familie war doch in Spanien.«
»Nein, man hatte sie aus unserer Stadt verbannt und nach Avignon geschickt.«
»Weshalb?«
Er lehnte sich zurück und betrachtete sie schweigend. Es war eine zunehmende Verbundenheit zwischen ihnen zu spüren; wie es schien, hatten sie mehr gemeinsam, als nur unter dem Schutz von de Chauliac zu stehen. Eine Gefährtin zu haben, der er sich vorbehaltlos anvertrauen konnte, kam ihm wie ein unerfüllbarer Traum vor. Er sehnte sich danach, ihr zu berichten, was in Cervere vorgefallen war, konnte geradezu fühlen, wie die Worte über seine Lippen drängten.
Doch ganz gleich, wie vertrauenswürdig Philomène ihm erschien, die
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