Alera 01 - Geliebter Feind
Außerdem hätte ich damit vermutlich die Aufmerksamkeit meines Vaters erregt.
Miranna und ich schlenderten umher und suchten Semari, wobei ich weiterhin Ausschau nach ihrem älteren Bruder hielt. Semari entdeckte uns zuerst und kam mit einem strahlenden Lächeln auf uns zu.
»Ich freu mich so, dass ihr da seid!«, rief sie und drückte Mirannas Hand. Bevor meine Schwester sie auch nur begrüßen konnte, zog Semari sie schon den Hügel hinunter und dorthin, wo gerade eine neue Runde Hufeisenwerfen begann. »Du kommst nie drauf, wer da ist!«
Ich ließ meinen Blick über die jungen Leute schweifen, die sich zum Mitspielen versammelt hatten, und entdeckte den Favoriten meiner Schwester. Er hielt einen etwa halb so großen und halb so alten kleinen Jungen an der Hand, vermutlich sein Bruder.
Semari und Miranna stießen zu der Gruppe, wobei Miranna noch rasch ihren dunkelgrünen Rock glatt strich und vergeblich versuchte, die Locken zurückzuschieben, die aus dem Band in ihrem Nacken gerutscht waren und ihr dauernd über die Wangen fielen.
Ich trug ein dunkelblaues Samtkleid mit einem Mieder aus weißem Atlas und viereckigem Ausschnitt. Die Schulterpartie war bauschig und geschlitzt, die Ärmel waren dagegen vom Ellbogen an eng geschnürt und liefen spitz bis zu meinen Handrücken aus. Mein dunkles Haar war hochgesteckt und wurde von einem filigranen Diadem gekrönt, das aus zwei Silberreifen bestand, die abwechselnd mit Saphiren und Diamanten besetzt waren. Auch wenn ich wusste, dass Narian sich nicht viel aus der hytanischen Damenmode machte, hatte ich mir mit meiner äußeren Erscheinung für den heutigen Tag besondere Mühe gegeben.
Weil ich wusste, dass Semari und Miranna hauptsächlich von jungen Männern reden würden, und ich keine Lust hatte, über dieses Thema zu diskutieren, hatte ich mich ihnen nicht angeschlossen. Als ich zum Haus zurückblickte, sah ich, dass Cannan und Faramay soeben eingetroffen waren und sich anschickten, meine Eltern zu begrüßen. Offenbar machten sie sich ebenso wenig aus den Wettspielen. Der von mir verschmähte Bewerber schien nicht unter den Spielenden zu sein und war auch nicht an der Seite seiner Eltern. Daraus schloss ich, dass er wohl entschieden hatte, dem Fest fernzubleiben.
Nachdem sich nun die meisten Gäste am Fuß des Hügels versammelten und auch meine Eltern und ihre Freunde sich in diese Richtung bewegten, schloss ich mich ihnen an. Ich hielt mich nicht lange mit Begrüßungen auf, denn ich wollte Narian finden. Auf einmal sah ich, dass Cannan sich von meinem Vater abwandte und auch Faramay zurückließ und auf mich zukam. Ich fragte mich, was er wohl von mir wollen konnte, drehte mich um und bemerkte, dass er Blickkontakt mit Destari aufgenommen hatte, der nur ein paar Schritte hinter mir war.
Destari rührte sich nicht, als der Hauptmann zu ihm trat. Aus ihren düsteren Mienen und gedämpften Stimmen schloss ich, dass es um etwas Wichtiges gehen musste. Leider machte das ununterbrochene Geplauder der Leute um mich herum es mir unmöglich, auch nur ein einziges Wort aufzuschnappen, obwohl ich nicht weit weg stand und nach besten Kräften die Ohren spitzte.
Nachdem sie ihre Unterhaltung beendet hatten, gingen Destari und Cannan auf den Waldrand zu. Ich hatte nicht erwartet, dass mein Leibwächter den ganzen Abend an meiner Seite sein würde, denn schließlich wurden meine Eltern von zahlreichen Wachmännern begleitet, die sich inzwischen über das ganze Anwesen verteilt hatten. Trotzdem musste es einen gewichtigen Grund dafür geben, dass Destari sich so weit von mir entfernte. Meine Neugier war so groß, dass ich beschloss, herauszufinden, wo Cannan hinwollte und was so wichtig war, dass er dabei Destaris Begleitung benötigte.
20. NIEMALS UNBEWAFFNET
Ich folgte Destari und Cannan heimlich in Richtung Waldrand und drängte mich dabei durch die Gästeschar. Die beiden gingen zwar entschlossenen Schrittes, aber ich kannte ihr Ziel nicht, bis ich Narian bemerkte, der, dunkel gekleidet, am Stamm eines großen Ahorns lehnte. Narian besaß die frappierende Fähigkeit, sich zu verstecken, obwohl er eigentlich sichtbar war, und so von fast jedermann übersehen zu werden. Mit Ausnahme des Hauptmannes, wie es schien. Der Sechzehnjährige beobachtete unbeteiligt das Festgeschehen, bis sein Blick auf Destari und Cannan fiel, die auf ihn zugingen. In dem Moment wirkte es, als hätte er bereits die ganze Zeit nur auf sie geachtet.
Ich vermochte an Narians Verhalten
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