Alera 01 - Geliebter Feind
einzige Schmuckstück, das ich je an ihm gesehen hatte und das er ständig trug.
»Oh, ich denke, dass er mir sehr wohl gehört«, widersprach London und hob warnend eine Augenbraue. »Vor sechzehn Jahren habe ich mehr als genug dafür bezahlt.«
Lähmendes Schweigen machte sich breit, währendLondon und Narian sich misstrauisch anstarrten. Schließlich wandte der Jüngere den Blick ab, und ich wiederholte meine Frage in der Hoffnung, die greifbare Spannung zu mildern.
»Wenn Ihr meine Hilfe wünscht, komme ich diesem Wunsch gerne nach«, sagte Narian.
Auch wenn seine Antwort mir aufrichtig erschien, vermochte ich seine Aufmerksamkeit nicht zu fesseln. Bislang hatte ich geglaubt, nichts könne Narians Abwehr je durchdringen, doch ich hatte mich getäuscht. London hatte ihn sichtlich erschüttert.
»Ich brauche noch ein Geschenk für Ailith, dann haben wir für jeden etwas«, sagte Miranna und blieb stehen, um sich den Schmuck in einem kleinen Laden anzusehen.
Gemeinsam waren wir im Marktviertel unterwegs, um keine zu kostspieligen, aber dennoch persönliche Geschenke für unsere Kammerzofen und Diener zu besorgen. Alljährlich gingen wir zu diesem Zweck gemeinsam einkaufen. Allerdings galt es als unangebracht, Geschenke für unsere Leibwächter zu erstehen, obwohl diese weit mehr Zeit mit uns zu verbringen hatten als unsere Zofen. Ich wusste zwar, dass London, Destari und Halias ihren Dienst gern leisteten, aber ich hätte gern die Erlaubnis besessen, ihnen unsere Wertschätzung durch ein Weihnachtsgeschenk zu zeigen.
Inzwischen war der Winter in Hytanica angebrochen, doch das Wetter war trotzdem nicht besonders kalt. Es kam nur selten vor, dass der Recorah bei uns im Tal zufror, aber die Landschaft war eintönig und trübselig anzusehen. Vor allem im Januar war der Himmel meist grau und kalter Regen fiel. In höheren Lagen wurde der Niederschlag zu Schnee und setzte den Bergen nördlich von uns weiße Kappen auf.
Miranna verließ das Geschäft wieder und bahnte sich einen Weg zwischen den Leuten auf der Straße hindurch und in einen Laden, wo man Kleiderstoffe verkaufte. Ich stöberte noch ein wenig in der Auslage, obwohl mich in Wahrheit die Dolche am Ende der Theke viel mehr interessierten als der Schmuck direkt vor mir. Seit Narians Unterricht in Selbstverteidigung hatte ich einen schärferen Blick für die Waffen entwickelt, die Destari und andere Wachen im Palast trugen. Ich wusste wenig über die in diesem Laden angebotenen Dolche und auch über jede andere Waffenart. Mir war allerdings klar, dass es schon als äußerst unweiblich galt, überhaupt Notiz davon zu nehmen. Ich riss mich also vom Anblick der Messer los und versuchte, mich von Neuem auf den Schmuck zu konzentrieren, während ich nur am Rande wahrnahm, dass die Ladentür sich öffnete und wieder schloss.
Mein Blick schweifte noch über die Pretiosen, da packte mich plötzlich ein starker Arm von hinten um die Brust und presste mich an einen muskulösen Körper. Ich krallte meine Finger in den Unterarm des Mannes, versuchte verzweifelt, mich loszumachen und erschrak, weil Destari mir nicht zu Hilfe kam. Plötzlich ließ mich der Angreifer lachend los. Ich wirbelte herum und stand Steldor gegenüber.
»Was tut Ihr da?«, fragte ich mit flammend roten Wangen und wachsendem Zorn. »Fallt Ihr nichtsahnende Frauen immer von hinten an?«
Steldor hob amüsiert eine Augenbraue. »Ehrlich gesagt falle ich sie noch lieber von vorne an«, sagte er und ließ den Blick seiner dunklen Augen langsam über meinen Körper gleiten. »Abgesehen davon dachte ich, Ihr hättet gelernt, Euch selbst zu verteidigen. Mir scheint, Ihr braucht einen besseren Lehrer.«
Zornig funkelte ich ihn an. Zum einen ärgerte mich der Seitenhieb auf Narian, zum anderen die Tatsache, dass er auf irgendeinem Weg von meinen Aktivitäten während der Besuche auf dem Landsitz von Baron Koranis erfahren haben musste. Eigentlich konnte daran nur der überaus redselige Tadark schuld sein.
»Mein Lehrer ist der beste Kämpfer Hytanicas«, konterte ich und hoffte, ihn damit getroffen zu haben.
Steldor grinste und schien meine Schlagfertigkeit sichtlich zu genießen. So, als hätte er mich absichtlich gereizt.
»Ihr wisst wirklich mit Worten umzugehen, Prinzessin. Aber wie geübt seid Ihr mit der Waffe?«
Sprachlos starrte ich ihn an. Wollte er meine Fähigkeiten und die Effizienz von Narians Unterricht vielleicht testen? Und wozu das Ganze?
»Das muss Euch nicht kümmern«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher