Alera 01 - Geliebter Feind
Mensch.
»Im Gegensatz zu mir interessiert Mira sich für solche Angelegenheiten nicht. Und selbst wenn sie es täte, bezweifle ich, dass es ihr gelingen würde, Einfluss auf Steldors Entscheidungen zu nehmen. Ich dagegen kann ihn zumindest dazu bringen, sich meine Meinung anzuhören, auch wenn er dann vielleicht nicht danach handelt.«
Ich rieb meine Hände aneinander, weil sie sich wie auch mein übriger Körper ganz kalt anfühlten.
»Die Verpflichtung einer Thronerbin lastet auf mir, und ich kann nicht Miras Glück opfern, um mir mein eigenes zu sichern. Aus all dem ergibt sich der Schluss, dass ich diejenige bin, die heiraten muss.«
»Mir scheint, ich habe dich bislang unterschätzt. Du bist doch schon ziemlich erwachsen.« Aus Londons Ton klang keine Spur Sarkasmus, eher so etwas wie Bewunderung.
Ich quittierte sein Kompliment nur mit einem Nicken, denn ich konnte mich nicht einmal zu einem Lächeln zwingen. Dass die Entscheidung, zu der ich mich durchgerungen hatte, die richtige war, machte sie nicht weniger schwer oder schmerzhaft.
»Danke, dass du versucht hast, für mich zu intervenieren. Jetzt würde ich allerdings gerne allein sein.Mir bleiben nur noch wenige Stunden, bis ich vor meinen Vater hintreten muss.«
Nachdem London gegangen war, stocherte ich in dem Mittagessen herum, das man mir in meinen Salon gebracht hatte. Weil meine Verzweiflung mit jeder Stunde, die verging, wuchs, verließ ich meine Gemächer, um den Garten aufzusuchen, dessen Atmosphäre ich schon immer als beruhigend empfunden hatte. Ich spazierte zwischen den vielfältigen Pflanzen umher, bemerkte die Knospen an den Bäumen und die ersten Tulpen, bis mir einfiel, dass ich noch etwas zu erledigen hatte. Ich gab mir einen Ruck und ging auf meinen Leibwächter zu, der am Eingang zum Palast zurückgeblieben war.
»Destari, bitte schick jemand zu Cannan, der ihm mitteilt, dass ich ihn zu sprechen wünsche.«
Mein Ansinnen schien ihn zu überraschen, aber er ging kurz hinein, um eine Wache auf die Suche nach dem Hauptmann zu schicken. Ich wandte mich um und begann den Gartenweg entlangzulaufen, bis ich mich schließlich auf eine der Steinbänke setzte, wo ich auf Cannan wartete. Dieser betrat den Garten nur Augenblicke später, und ich erhob mich, als ich ihn herankommen sah.
»Prinzessin Alera, man hat mir gesagt, dass Ihr mich sprechen wollt«, sagte er und blieb vor mir stehen.
Ich verzichtete auf das ganze formelle Drumherum und kam sofort zur Sache.
»Ihr wisst vom Ultimatum meines Vaters?«
»Ja, Euer Vater und ich haben über seine Entscheidung diskutiert. Ich bedaure zutiefst, dass es dazu gekommen ist.«
»Ihr habt mir gesagt, Ihr würdet Eure Zustimmung zu Steldors Hochzeit mit mir hinauszögern, bis ich zumHeiraten bereit wäre. Würdet Ihr das Gleiche auch für Miranna tun?«
Ich hielt den Atem an, während ich auf seine Antwort wartete, denn meine letzte Hoffnung hing von seiner Erwiderung ab. Falls Cannan seine Zustimmung zur Ehe meiner Schwester mit Steldor verweigerte, bliebe meinem Vater keine andere Wahl, als mir mehr Zeit zu gewähren, um einen Ehemann zu finden.
Der Hauptmann sah mich einen Moment lang sehr aufmerksam an, und mir wurde klar, dass er verstand, worauf ich hinauswollte. Trotz seines mitfühlenden Untertons war seine Antwort nicht die, die ich hatte hören wollen.
»Nein, denn sie ist zu der Heirat bereit. Ihr müsst verstehen, dass sowohl Euer Vater als auch ich Steldor die nötigen Fähigkeiten für das Herrscheramt attestieren. Ich habe Euch das Angebot gemacht, jemanden zu finden, der nicht nur ein guter König wäre, sondern den Ihr auch lieben könntet. Es lag jedoch nicht in meiner Absicht, meinen Sohn vom Thron fernzuhalten.«
Ich wandte den Blick von Cannan ab und schaute in die spätnachmittägliche Sonne. Meine Frist war abgelaufen. Er stand weiter geduldig neben mir, während ich die einzige Entscheidung traf, die mein Herz mir erlaubte.
»Dann bin ich zur Heirat bereit«, erklärte ich zögernd, denn der Wunsch, Mirannas Glück zu schützen, wog deutlich schwerer als jener, meine Ehe mit Steldor zu vermeiden. »Würdet Ihr meinen Vater über diese Entscheidung in Kenntnis setzen? Ich könnte seinen Anblick im Moment nicht ertragen.«
»Wie Ihr wünscht«, sagte Cannan und schien nicht im Geringsten erstaunt über meine Wut auf den König.
Er verneigte sich und ergriff noch ein letztes Mal dasWort, bevor er ging. »Mir ist bewusst, dass es sich hier um einen sehr
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