Alera 01 - Geliebter Feind
Augenblicke und sah, wie meine Augen sich mit Tränen füllten. »Er hält sich sogar für großzügig, weil er dir einen Ausweg aus der Verbindung lässt, indem du auf den Thron verzichtest, falls du dich tatsächlich nicht zu einer Ehe mit Steldor durchringen kannst.«
»Sag mir doch, was ich jetzt tun soll«, flehte ich ihn mit leiser Stimme an und fühlte mich unendlich elend.
»Ich fürchte, das ist eine Entscheidung, die nur du allein treffen kannst«, sagte London voller Bedauern.
Ich ließ den Kopf hängen und schaute auf meine Hände, während ich mit mir rang. Doch plötzlich richtete ich mich ruckartig auf, weil mir eine neue Idee gekommen war.
»London!«, rief ich und spürte eine gewisseVerlegenheit, obwohl ich gleichzeitig wusste, die perfekte Lösung gefunden zu haben.
»Was?«, fragte er und staunte sichtlich über meinen Stimmungsumschwung.
»Könntest du dir vorstellen … Ich meine, was wäre, wenn wir …« Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus, während meine Wangen erglühten. »Mein Vater würde dir sowohl die nötige Erfahrung als auch die anderen für einen König notwendigen Eigenschaften zugestehen. Ich bin mir sicher, dass er uns erlauben würde zu heiraten.«
London sah erst schockiert, dann belustigt drein. »Soll das ein Antrag sein?«
»Ja, ich denke schon«, antwortete ich und fühlte mich vor Erleichterung fast schwindelig. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich so lange gebraucht hatte, um auf diese Idee zu kommen. »Siehst du denn nicht, wie perfekt das ist? Wir mögen einander, und du hast den nötigen militärischen Hintergrund. Außerdem weiß ich, dass mein Vater auf dein Urteil vertraut. Er und Cannan hören doch ohnehin bereits auf deinen Rat. Du bist der geborene Anführer. Die Soldaten sind bereit, deinem Befehl ebenso zu folgen wie Cannans.«
Er sah mir mit ernster Miene in die Augen und sprach dann langsam und bestimmt. »Ich fühle mich geehrt, Alera, aber ich kann dich nicht heiraten. Du hast meine ganze Zuneigung, und ich würde bereitwillig mein Leben geben, um dich zu beschützen, aber ich empfinde für dich nicht, wie ein Ehemann das für seine Frau tun sollte. Und ich kann auch nicht König werden. Ich habe keine Ambitionen zur Herrschaft und bin ein zu freiheitsliebender Mensch, um mich in einer solchen Position wohlzufühlen. Es tut mir wirklich leid.«
Ich war noch nicht bereit, den Gedankenaufzugeben. Vor allem weil ich London für einen weitaus besseren König und Ehemann hielt als Steldor. Nach einem vielsagenden kurzen Seitenblick sagte ich nur halb im Spaß: »Als Kronprinzessin und künftige Königin von Hytanica könnte ich dir befehlen, mich zu heiraten.«
Er nahm eine aufrechtere Haltung ein, fast als ob er mit dem Schlimmsten rechnen würde.
»Wenn Ihr mir befehlt, Euch zu heiraten, werde ich gehorchen, aber ich bitte Euch, es nicht zu tun.«
Egal, wie sehr ich eine Ehe mit Steldor verabscheute, ich konnte London trotzdem nicht gegen seinen ausdrücklichen Willen in eine Ehe zwingen. Damit würde ich ihm die gleiche Bürde aufladen wie mein Vater mir.
»Na gut«, sagte ich mutlos.
London sah mich lange an.
»Ich wünsche mir zwar, dass du glücklich bist, aber ich bin mit meinem gegenwärtigen Leben durchaus zufrieden«, sagte er. »Wenn du dir ganz und gar nicht vorstellen kannst, Steldor zu heiraten, dann wäre der Verzicht auf den Thron vielleicht wirklich die beste Lösung.«
Ich biss mir auf die Unterlippe, während ich versuchte, eine Entscheidung zu fällen, und verschränkte nervös meine Hände.
»Ich kann es nicht meiner Schwester überlassen, Steldor zu heiraten, egal wie meine Umstände sind. Es wäre ihr gegenüber in jedem Fall unfair, da Steldor mich liebt.«
»Aber denkst du nicht, dass seine Gefühle mit der Zeit nachlassen würden?«
»Das weiß ich nicht. Aber immerhin würden wir beide im Palast leben und so dauernd in Kontakt miteinander sein. Ich fürchte, er würde verbittert und böse werden, und ich bin mir nicht sicher, ob er Mira gutbehandeln würde. Sie ist ein so sensibler Mensch und hätte seinem Zorn oder seiner Gleichgültigkeit nichts entgegenzusetzen.«
»Aber da gibt es noch etwas, nicht wahr?«, bemerkte London scharfsinnig. »Da du es dir nie hast nehmen lassen, dich in Dinge einzumischen, die das Königreich betreffen, vermute ich, dass es dir schwerfiele, auf den Thron zu verzichten.«
Ich nickte und war ein wenig verlegen, weil London mich offenbar besser kannte als jeder andere
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