Alera 01 - Geliebter Feind
einzugehen. Offenbar sind wir als Töchter austauschbar.«
London sagte nichts dazu, also sprach ich weiter.
»Er verlangt meine Antwort bis morgen vor Sonnenuntergang, dabei könnte er mir auch Jahre Zeit geben, ohne dass ich zu einem Entschluss käme. Schließlich weiß ich niemand außer Steldor, den er als König akzeptieren würde – seine Auswahlkriterien sind so gewählt, dass sie nur auf den Sohn des Hauptmannes zutreffen.«
Außer mir vor Empörung richtete ich mich auf und wischte mir mit den Händen die Tränenspuren von den Wangen.
»Wie kann mein Vater mich nur so geringschätzen? Wie kann er meine Gefühle ignorieren, wo doch ich diejenige bin, die den Rest ihres Lebens mit Steldor verbringen soll? Und was ist mit Miranna? Es gibt doch bereits einen jungen Mann, für den sie sich interessiert und mit dem sie, so nehme ich an, glücklich werden könnte.«
Ohne Antworten auf all diese Fragen versank ich in eisiges Schweigen. Als der anfängliche Schock und Schmerz nachließen, begann ich zu zittern, denn ich war ohne ein Tuch oder einen Umhang aus dem Palast gerannt. Nachdem die Sonne bereits untergegangen war, wurde es empfindlich kühl.
»Ich begleite dich wohl besser in deine Gemächer zurück«, meinte London. »Bevor du völlig durchgefroren bist.«
Er half mir hoch und führte mich eng an sich gedrückt zum Tor zurück.
»Lass etwas heiße Suppe in ihren Salon bringen«, sagte er leise zu Destari, als wir über die Schwelle traten. »Sie ist reichlich durchgefroren.«
Eine halbe Stunde später löffelte ich abwesend Gemüsesuppe und starrte London dabei mit leerem Blick an. Er hatte inzwischen das Feuer angezündet und legte dicke Scheite auf die bereits lodernden Flammen. Als er merkte, dass ich ihn ansah, stand er auf und trat zu mir neben das Sofa.
»Ich werde dich jetzt verlassen, aber Destari bleibt noch ein paar Stunden lang draußen vor deiner Tür. Bald kommt ja auch deine Kammerfrau, um dir beim Zubettgehen behilflich zu sein.«
Ich nickte nur, denn ich fand nicht einmal die Kraft zu antworten.
»Ich werde Sahdienne etwas vom Doktor holen lassen, das dir beim Einschlafen hilft«, sagte er noch und strich mir sanft mit den Fingern über die Wange. »Wir sehen uns dann morgen früh wieder. Vielleicht sieht die Welt im Licht eines neuen Tages ja nicht mehr ganz so schrecklich aus.«
Er wandte sich um, aber ich stammelte: »Wo gehst du hin? Kannst du nicht noch ein wenig länger bleiben?«
»Ich habe etwas Dringendes zu erledigen.« Er seufzte und entschloss sich wohl aufgrund meiner verzweifelten Miene, ehrlich zu sein. »Ich werde mit deinem Vater sprechen.«
Tränen der Dankbarkeit stiegen mir in die Augen, und er schickte mir noch ein flüchtiges Lächeln, bevor er das Zimmer verließ.
London hatte sich geirrt. Die Welt sah am nächsten Morgen kein bisschen weniger schrecklich aus, trotz meiner Hoffnung, dass es ihm gelungen war, meinen Vater umzustimmen. Doch als die Stunden verstrichen, ohne dass mein ehemaliger Leibwächter erschien, da schwand meine Hoffnung, und die Wahl, vor die mein Vater mich gestellt hatte, begann schwindelerregend in meinem Kopf zu kreisen. Wenn es doch nur jemand anderen gäbe, den ich heiraten könnte. Jemand, bei dem ich mich wohlfühlte … aber auch jemand, gegen den mein Vater keine Einwände hätte. Ich ging jeden möglichen Kandidaten durch, konnte aber keine ernstzunehmende Alternative zu Steldor finden. Ich saß auf meinem Sofa und bedauerte mich, als London eintrat.
Hoffnungsvoll suchte ich seinen Blick, doch als erden Kopf schüttelte, da wusste ich, dass mein Vater nicht nachgegeben hatte. London setzte sich neben mich und berichtete mir von dem enttäuschenden Gespräch.
»Der König ist nicht bereit, dir weitere Bedenkzeit zu gewähren, denn er sehnt sich danach, vom Thron herabzusteigen, insbesondere angesichts der cokyrischen Bedrohung. Er hält Vater und Sohn für bestens geeignet, eine Strategie für den Kampf zu entwickeln, falls es dazu kommen sollte. Außerdem meint er, wie die meisten hytanischen Männer, dass er als Vater eine so wichtige Entscheidung wie die Wahl des Ehemannes nicht seiner Tochter überlassen sollte. Wie du ja weißt, hat er das Recht, eine Ehe für dich zu arrangieren, und außerdem hält er es für unvernünftig, dass du Steldor ablehnst. Von seinem Standpunkt aus betrachtet erfüllt Steldor alle Voraussetzungen, um einen großen König und einen guten Ehemann abzugeben.«
London schwieg einige
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