Alera 01 - Geliebter Feind
des Weges zwischen den blühenden Fliederhecken, dann saß er ab und warf dem Diener die Zügel zu. Er drehte sich winkend zu der Menge um, die ihm durch die Straßen der Stadt gefolgt war. Die Leute versammelten sich schon für die Trauungszeremonie. Nachdem wir das Ehegelübde abgelegt haben würden, durfte das Oberhaupt jeder Familie im Königreich in den Innenhof kommen und sichvon einer Palastwache zwei Goldmünzen aushändigen lassen, die unseren Ehebund symbolisierten.
Als ich wieder zu den Toren hinsah, erkannte ich Cannan und Faramay, die soeben aus einer Kutsche stiegen und langsam den mit weißen Steinen gepflasterten Weg hinaufschritten. Auch Verwandte und andere Gäste trafen ein und paradierten im Festgewand auf die offenen Eingangstore und den Palast zu. Im Unterschied zu mir, die ich weder Onkel noch Tanten noch Cousins oder Cousinen besaß, da der einzige Bruder meines Vaters im Krieg gefallen und die gesamte Familie meiner Mutter ebenfalls damals umgekommen war, besaß Steldor eine riesige, weitverzweigte Verwandtschaft, bestehend aus neun Onkeln und Tanten sowie siebzehn Vettern und Basen.
Ich machte einen Schritt vom Balkon weg und bekam derartige Beklemmungen, dass ich kaum noch zu atmen vermochte. Miranna kam zu mir und hielt mir ein kleines Glas Wein hin.
»Mutter meinte, das könnte dich vielleicht ein wenig beruhigen.«
Ich nahm nur einen Schluck davon und gab ihr das Glas zurück.
»Möchtest du dich nicht für einen Moment setzen?«, fragte sie besorgt. Ich schüttelte den Kopf, schloss die Augen und zwang mich, langsam und gleichmäßig zu atmen.
»Du siehst ganz wunderbar aus«, fuhr sie fort und versuchte, offensichtlich beruhigend zu klingen.
»Du bist ebenfalls atemberaubend schön«, erwiderte ich und schlug die Augen wieder auf, um sie noch einmal genauer anzusehen.
Mirannas Kleid war aus hellblauer Seide mit schmaler Taille und weitem Rock. Das Mieder war mitdurchsichtiger weißer Spitze verstärkt und die glockenförmigen Ärmel reichten fast bis zum Boden.
Da klopfte es an der Tür und meine Mutter betrat in einem königsblauen Kleid mit Goldstickerei mein Schlafzimmer. Ihr wunderschönes blondes Haar war perfekt frisiert und darauf saß die offizielle Königinnenkrone: ein diamantenbesetzter Reif, den vorn ein Kreuz aus fünf Edelsteinen schmückte – ein Saphir, ein Smaragd, ein Rubin, ein Amethyst und in der Mitte ein Diamant.
»Ich wollte nur noch einmal nach dir sehen, Alera, bevor dein Vater zu uns stößt.« Sie deutete eine Umarmung an, dann musterte sie mich mit ihren klugen blauen Augen. »An ihrem Hochzeitstag ist jede Braut nervös. Aber du heiratest einen außerordentlichen jungen Mann, und alles wird gut gehen.«
»Mir geht es auch gut, Mutter«, versicherte ich ihr, obwohl ich mich alles andere als gut fühlte. Ich kam mir eher vor wie ein Verurteilter beim Anblick des Galgens als wie die freudig erregte Braut, die meine Mutter wohl in mir sah.
»Die Gäste sind bereits eingetroffen, der Bräutigam ebenso, und alles ist bereit. Brauchst du noch irgendetwas, bevor die Trauungszeremonie beginnt?«
»Nein, mir geht es gut«, wiederholte ich, wobei meine brüchige Stimme nicht danach klang.
»Dann wollen wir uns nun in den Salon begeben, um auf deinen Vater zu warten.«
Es dauerte nicht lange, bis ein Klopfen an der Tür von seiner Ankunft kündete. Er trat in königsblauer Robe ein und trug die Krone des Herrschers mit den vier juwelenbesetzten Kreuzen auf dem stellenweise ergrauten Haar. Freudestrahlend kam er auf mich zu und küsste mich auf die Wange.
»Du bist bildschön, meine Liebe. Und bist du auch bereit, deinem Bräutigam zu begegnen?«
Ich nickte, obwohl ich mir insgeheim dachte, die Formulierung, bereit, meinem Verhängnis zu begegnen, wäre passender. Gemeinsam verließen wir meinen Salon und gingen den Flur zum Ballsaal hinunter. Dort blieben wir kurz vor den weit geöffneten Türen stehen, und meine Mutter trat an meine linke Seite, mein Vater an meine rechte. Beide verschränkten jeweils einen Arm mit dem meinen. Vor uns erstreckte sich ein goldener Teppich und bildete den Weg zum Altar auf der gegenüberliegenden Seite des Saales. Wir würden bis zur Mitte an der Wand entlanggehen und uns dann nach links wenden. Miranna würde mir als meine Brautjungfer folgen.
»Wollen wir?«, fragte mein Vater, und ich holte noch einmal tief Luft, bevor ich nickte.
In gemessenem Tempo bewegten wir uns vorwärts, wendeten uns dann um und blieben
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