Alera 01 - Geliebter Feind
Wände gerückt und der Altar und alles, was sonst noch für dieTrauung gebraucht worden war, fortgeräumt. Dafür hatte man Tische mit Erfrischungen aufgebaut.
Steldor geleitete mich auf die Tanzfläche und erinnerte mich noch an unseren letzten Versuch, miteinander zu tanzen.
»Vergiss nicht, dass ich es bin, der führt.«
Ich versuchte, mich in seinen Armen zu entspannen, denn ich wusste ja, dass er ein ausgezeichneter Tänzer war. Als mir das gelang, wurden unsere Bewegungen fließend und leicht. Nach ein paar Runden sah er liebevoll auf mich herab.
»Ich nehme das als Zeichen der Unterwerfung auch in anderen Bereichen«, murmelte er, und sogleich fürchtete ich mich davor, was er damit meinen mochte.
Nach einem zweiten Tanz fühlte ich mich reif für eine Pause und Steldor verließ mich, um zwei Gläser Wein zu holen. London nutzte die Abwesenheit meines Mannes und trat mit einem melancholischen Lächeln an meine Seite.
»Ich hoffe, dass du glücklich wirst«, wünschte er mir in aufrichtigem Ton. »Aber ich werde deine Gesellschaft vermissen, da meine künftigen Pflichten außerhalb des Palastes liegen.«
Das hatte ich nicht gewusst und fand es sehr bedauerlich.
»Aber wir bleiben doch Freunde, nicht wahr?«
»Natürlich«, versprach er, klang aber nicht sehr überzeugend. »Ich dachte, es würde dich interessieren zu erfahren, dass ich morgen aufbrechen werde, um Narian im Gebirge aufzuspüren. Sollte ich ihn finden, bringe ich ihn zurück nach Hytanica. Denn Cannan meint, er könne uns ebenso nützlich sein wie dem Feind.«
In diesem Moment kam Steldor zurück und reichte mir ein Glas Wein. Er musterte London skeptisch, dersich sogleich verneigte und zurückzog. Mir blieb keine Zeit, länger über Londons Worte nachzudenken, denn unablässig traten Gäste an uns heran, um uns Gesundheit und Glück zu wünschen.
Als die Schar der Gratulanten langsam kleiner wurde, kam schließlich auch Lord Baelic, Cannans jüngerer Bruder und damit Steldors Onkel, zu uns. Von den Teeeinladungen meiner Mutter kannte ich Baelics Gattin, Lady Lania, sowie deren älteste Tochter, Lady Dahnath. Ihm selbst war ich jedoch noch nie begegnet. Ich wusste nur, dass er Major in der Armee und Kavallerieoffizier war.
Baelic war etwas kleiner als sein Bruder und auch ein wenig kleiner als sein Neffe, ansonsten verblüffte mich seine Ähnlichkeit mit Cannan : fast schwarzes Haar, dunkelbraune Augen, eine ausgeprägte Kinnpartie und eine kräftige Statur. Ich brauchte jedoch nicht lange, um den größten Unterschied zwischen den beiden zu erkennen, denn Baelic war so scherzhaft wie Cannan ernst.
Nachdem Steldor ihn mir vorgestellt hatte, küsste Baelic galant meine Hand.
»Glückwunsch, Lord Steldor. Mein Mitgefühl, Prinzessin Alera.«
Er ignorierte Steldors Aufstöhnen und sah mir stattdessen verschmitzt grinsend in die Augen.
»Solltet Ihr jemals etwas gegen ihn brauchen, kommt ruhig zu mir. Ich weiß alles, was er vor seinem Vater geheim hält.« Fröhlich musterte er Steldor und fügte noch hinzu: »Das ist mein Hochzeitsgeschenk an Euch.«
»Wäre es unhöflich, ein Geschenk abzulehnen?«, erwiderte Steldor.
»Das kommt ganz auf das Geschenk an«, konterte Baelic mit einem schiefen Lächeln. »Doch sicher wollt Ihr keines ablehnen, das so wertvoll ist wie dieses.«
Bevor Steldor darauf eingehen konnte, meldete ich mich zu Wort. »Ich habe gar nicht die Absicht, es abzulehnen.«
»Sie gefällt mir mit jeder Minute besser«, sagte Baelic anerkennend. »Aber ich habe noch nicht begriffen, was sie mit einem wie dir anfangen will.«
Ich lachte laut auf über Baelics Neckereien und fand seine fröhliche und temperamentvolle Art unwiderstehlich.
Steldor sah seinen Onkel einen Moment lang nur an, bevor seine Mundwinkel sich nach oben bewegten. »Sie hat sich für einen einundzwanzigjährigen Charmeur entschieden, als ihr klar wurde, dass alle dreiundvierzigjährigen Narren bereits vergeben waren«, parierte er dann.
»Du hast mich zutiefst getroffen, mein lieber Neffe.«
»Dann werde ich es wiedergutmachen, indem ich dich zu meinem Hofnarren ernenne, lieber Onkel.«
Kichernd und begleitet von einer weiteren tiefen Verbeugung sagte Baelic zu mir: »Es war mir eine Freude, Euch kennenzulernen. Ich vertraue meinen unverbesserlichen Neffen Eurer Obhut an und wünsche Euch von Herzen viel Glück.«
Dann schlug er Steldor noch einmal gut gelaunt auf die Schulter und zog sich zurück. Mir war nun zweifelsfrei klar, woher mein
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