Alera 01 - Geliebter Feind
hoffte, dass man mir meinen unstillbaren Hunger nach Informationen über die Vorgänge im Palast nicht zu sehr anmerkte.
Gerade als ich mein Besteck auf den leeren Teller gelegt hatte, klopfte es und Tadark öffnete die Tür. Destaritrat ein, und ich konnte meine Neugier nicht länger bezähmen.
»Als ich das letzte Mal aufwachte und einer meiner Leibwächter fehlte, hatte das katastrophale Folgen«, sagte ich und versuchte, ironisch zu klingen. »Deshalb würde ich jetzt gerne erfahren, was los ist.«
Ich stand auf und trat auf ihn zu, wobei ich auch gleich das Tablett auf das Tischchen zurückstellte.
»Ich soll Euch darüber in Kenntnis setzen, dass ich nicht mehr Euer Leibwächter bin«, antwortete Destari und deutete eine Verbeugung an.
»Sollst du mich auch über die Gründe dafür in Kenntnis setzen?«
Ich hatte es satt, dass Cannan und mein Vater ständig Entscheidungen fällten, die mich unmittelbar betrafen, ohne sich die Mühe zu machen, mir eine entsprechende Erklärung zu geben.
»Ich bin nicht angewiesen, Euch darüber hinausgehend zu informieren«, brummte er. »Doch die Erklärung ist ganz einfach. Mir wurde schlichtweg eine andere Aufgabe zugeteilt.«
Mich schauderte unwillkürlich bei der Vorstellung, nach Londons Entlassung und Destaris Versetzung möglicherweise mit einem einzigen Leibwächter namens Tadark dazustehen.
»Könnte nicht jemand anderer …«, ich deutete mit dem Kopf auf Tadark, »diese neue Aufgabe übernehmen?«
Destari schien mich verstanden zu haben, schüttelte jedoch den Kopf. »Ich fürchte, das ist viel zu wichtig, um es jemand anderem anzuvertrauen.«
Ich runzelte verärgert die Stirn. »Worin besteht denn diese neue Aufgabe?«
»Vielleicht solltet Ihr diese Frage mit dem Hauptmann oder dem König erörtern.«
»Ich frage aber dich«, erwiderte ich spitz. »Und auf die eine oder andere Weise werde ich ohnehin erfahren, worum es geht. Du könntest mir also die Mühe ersparen und es mir gleich erzählen.«
Destari rang kurz mit sich. Offenbar widerstrebte es ihm, einzulenken. Andererseits wusste er, dass ich vermutlich recht hatte, und lenkte schließlich ein.
»Habt Ihr Euch noch nicht gefragt, wo der cokyrische Gefangene festgehalten wird?«
Ich hörte Tadark an der Tür mit den Füßen scharren. Sein Blick war ebenfalls auf Destaris Gesicht gerichtet und er lauschte interessiert auf die Worte des stellvertretenden Hauptmanns.
»Im Kerker, nehme ich an«, sagte ich, verunsichert von Destaris Miene.
»Dann haltet Ihr Euren Vater also für einen Mann, der einen Jungen im Alter seines jüngsten Kindes an so einem Ort festhält?«
»Nein«, antwortete ich und überlegte scharf. »Dann kann man wohl annehmen, dass er im Palast selbst untergebracht ist.«
»Das wäre eine vernünftige Annahme.«
»Und kann man weiter annehmen, dass er von jemand mit großer Erfahrung bewacht wird?«
»Das ist wiederum eine logische Schlussfolgerung.«
Ich nickte dankbar. »Eine letzte Frage noch.«
Destari musterte mich missbilligend. Was konnte ich jetzt noch von ihm wollen?
»Werde ich einen neuen zweiten Leibwächter bekommen?«
»Ich fürchte nicht«, erwiderte Destari mit einem vielsagenden Lächeln. »Der Hauptmann hat entschieden, dass die gegenwärtige erhöhte Sicherheitsstufe im Palast nicht mehr nötig ist, da man den Verräter ja gefasst hat.Die Mitglieder der königlichen Familie werden also wieder nur jeweils einen Leibwächter haben, und dieser wird den üblichen täglichen Dienst versehen. Tadark wird künftig Euer permanenter Beschützer sein.«
Mit Mühe konnte ich ein ärgerliches Aufstöhnen unterdrücken. Ich war erleichtert, dass Tadark zumindest nicht mehr rund um die Uhr Bereitschaft haben würde. In kleineren Dosen war er leichter zu ertragen.
»Nun«, sagte ich und bemühte mich, fröhlich zu klingen. »Ich weiß es zu schätzen, dass du dir die Zeit genommen hast, mir von deiner neuen Aufgabe zu berichten.«
Destari deutete eine Verbeugung an und schickte sich an zu gehen.
»Warte!«, rief Tadark ihm nach. »Willst du uns denn nichts über deine neue Aufgabe erzählen?«
Destari starrte ihn an, als könne kein Gesichtsausdruck der Welt seine wahre Meinung widerspiegeln. Danach verschwand er ohne ein weiteres Wort durch die Tür.
In den nächsten paar Tagen sah ich weder von Destari noch von dem cokyrischen Gefangenen auch nur eine Spur. Das ließ mich vermuten, dass man ihn in einem der Gästezimmer im dritten Stock untergebracht hatte,
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