Alera 01 - Geliebter Feind
Händler Waren zum Verkauf oder Tausch anboten.
Markttag war einmal die Woche, und er lockte jedes Mal eine Menge Menschen an. Außer den Bauern und Handwerkern aus den Dörfern rund um die Stadtmauern kamen auch fliegende Händler. Das ständig wechselnde Angebot umfasste auch Möbel, Werkzeuge, Pelze, Glaswaren, exotische Gewürze, seltene Öle und Parfums, Töpfe und Pfannen, Spitzen und andere besondere Stoffe.
Miranna und ich trugen einfache Kleider, denn Cannan hatte schon vor längerer Zeit angeordnet, dass wir uns, wenn wir den Markt besuchten, wie einfache Dorfbewohner kleiden sollten. Der Hauptmann war ein vorsichtiger Mensch, aber auch wir wollten unsere Herkunft nicht durch unsere Kleidung verraten. Natürlich hätte keine Tarnung der Welt funktioniert, wenn unsere Leibwächter uns in voller Montur eskortiert hätten, daher waren auch Tadark und Halias schlichter als sonst gekleidet. Zu meiner großen Erleichterung und zu Tadarks Missfallen war der stellvertretende Hauptmann auch bereit, uns ein wenig mehr Bewegungsfreiheit einzuräumen. Er gestattete Tadark nicht, direkt neben mir zu gehen. Und da Halias im Rang über ihm stand, blieb Tadark nichts anderes, als sich zu fügen.
Als wir in die Menge eintauchten, die rund um die Zelte und Buden wogte, drang ein immenses Stimmengewirr an unsere Ohren. Händler priesen ihr Angebot, Kunden feilschten, kleine Kinder schrien und Tiere gaben die unterschiedlichsten Klagelaute von sich. Die Atmosphäre dieses aufregenden Ortes vermochte meine Stimmung sofort aufzuhellen.
»Sieh nur, dort!«, sagte Miranna zu mir, zupfte mich am Ärmel und zeigte über die Köpfe der Menschen auf einen jungen Mann, etwa Mitte zwanzig, neben einem Gemüsestand.
»Der sieht doch gut aus – ihn könntest du heiraten!«
»Das würde Vaters Meinung von mir sicher verbessern«, erwiderte ich und ging auf ihren Scherz ein. »Sire, ich würde gerne einen Gemüsehändler heiraten … oder vielleicht den Gehilfen eines Gemüsehändlers«, sagte ich in gestelztem Tonfall.
»Er würde vermutlich nicht einwilligen, aber es wäre interessant, sein Gesicht zu sehen, während du es ihm vorschlägst.« Miranna lachte.
Wir bahnten uns weiter einen Weg zwischen den Kauflustigen und begutachteten die feilgebotene Ware. Miranna hatte gerade ein Tuch auf einen der Verkaufstische zurückgelegt, als hinter uns eine vertraute Stimme erscholl.
»Mira!« Semari schob sich durch die dichte Menge zu uns. Ihre Wangen waren gerötet und ihre blauen Augen strahlten freudig.
»Semari!«, antwortete Miranna begeistert und schickte sich an, ihre Freundin zu umarmen. »Wie geht es dir?«
»Papa war außer sich, als er erfuhr, was wir getan hatten, aber inzwischen tut es kaum noch weh«, sagte Semari und lächelte ihren Worten zum Trotz übersganze Gesicht. »Inzwischen hat er die Geschichte schon so gut wie vergessen.«
»Wegen Narian?«, stieß Miranna hervor und kam sofort auf das Thema zu sprechen, das uns in letzter Zeit am meisten beschäftigte – die frappierende Ähnlichkeit zwischen Semari und dem Jungen aus Cokyri.
Semari nickte, und wir begaben uns an die Seite von einem der Zelte, um uns zu unterhalten, ohne dauernd von irgendwelchen Marktbesuchern angerempelt zu werden.
»Als der Hauptmann und der König uns empfingen, fragten sie meine Eltern, ob sie ihren Sohn abgesehen von seinem Aussehen und seinem Alter zweifelsfrei identifizieren könnten. Da erinnerte meine Mutter sich, dass Kyenn mit einem ungewöhnlichen Mal hinter dem linken Ohr zur Welt gekommen war, das die Form eines gezackten Halbmondes hatte. Daraufhin untersuchte der Hauptmann Narian und entdeckte das von meiner Mutter beschriebene Mal. Und wie wahrscheinlich ist es schon, dass zwei Menschen das gleiche Geburtsmal aufweisen, noch dazu ein so ungewöhnliches?«
»Überhaupt nicht«, sagte ich und lauschte fasziniert ihrem Bericht.
»Daher kamen der König und der Hauptmann zu dem Schluss, dass es sich bei ihm um den so lange vermissten Angehörigen meiner Familie, meinen älteren Bruder, handeln muss.«
»Und was haben sie nun mit ihm vor?«, fragte die ebenso gefesselte Miranna.
»Nun, meine Eltern möchten, dass er fortan bei uns lebt, aber man kann ihm noch nicht völlig vertrauen, daher wird er vorläufig noch im Palast bewacht. Der Hauptmann gedenkt, ihn langsam mit dem Leben in Hytanica vertraut zu machen und ihn gleichzeitig nochzu beobachten, falls die Cokyrier ihn mit einem bestimmten Auftrag zu uns geschickt
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