Alera 01 - Geliebter Feind
weniger als einem Jahr sollst du Königin sein. Angesichts deines Alters und deiner Herkunft sollte ich dir nicht mehr sagen müssen, dass du dich bedachtsamer zu verhalten hast.«
Er begann zu gestikulieren, während er sich weiter in Rage redete und ich in zerknirschtem Schweigen dasaß und seine Vorwürfe auf mich niederprasselten.
»Wer soll neben einer so unreifen Königin herrschen?Würde sie ihren Gatten dabei unterstützen, das Reich mit ruhiger Hand zu regieren, oder ihn mit ihren unreifen Spielchen ablenken?«
Er sah mich streng an und schien darauf zu warten, ob ich Widerspruch wagte, doch ich wusste, dass ich seinen Vorwürfen nichts entgegenzusetzen hatte. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und ich konnte an nichts anderes denken als an meine Unfähigkeit, die mein Vater mir gerade so schmerzlich vorhielt.
»Es gilt einen Freier zu bestimmen, Alera«, fuhr er fort und begann vor mir auf und ab zu gehen, während Schweiß auf seine Stirn trat. »Du weißt, wen ich mir als Nachfolger wünsche. Wenn nicht bald ein anderer Mann mit diesen Qualitäten auf den Plan tritt, dann wirst du auf meinen letzten Befehl als König von Hytanica Lord Steldor heiraten.«
»Aber ich kann Steldor nicht heiraten«, stieß ich hervor.
»Hast du dann vielleicht einen anderen Bewerber im Sinn?«
Mein Vater blieb stehen, drehte sich zu mir um, und sein Ton verriet mir bereits, dass er wohl kaum jemand anderem zustimmen würde.
»Es gibt niemand anderen, Vater«, murmelte ich und erinnerte mich vage an ein ähnliches Gespräch mit ihm.
»Das hatte ich erwartet«, sagte er unwillig, und ich fühlte mich wie eine Versagerin. »Ich habe mir erlaubt, Steldor einzuladen, dich zu einem Picknick außerhalb der Stadtmauern zu begleiten. Er hat meine ausdrückliche Erlaubnis, dir den Hof zu machen und darauf zu bestehen, dass du ihn ernsthaft in Betracht ziehst. Und zwar im Hinblick auf seine Qualitäten und nicht nur im Licht der Flausen in deinem Kopf.«
Mein Vater wandte sich bereits zum Gehen, als ich aufsprang, um ihn zurückzuhalten.
»Warte! Miranna würde ein solcher Ausflug auch gefallen. Ich bitte dich, ihr zu erlauben, dass sie uns begleitet.«
Mein Vater schien nicht in der Stimmung, mir einen Gefallen zu tun, aber ich war entschlossen, darum zu kämpfen. Denn ich malte mir aus, wie anstrengend so ein Ausflug mit Steldor allein war.
»Man könnte einen jungen Mann bestimmen, der sie begleitet. So ein Arrangement würde den Druck, der sonst auf Steldor und mir lastet, verringern. Außerdem wäre ich dann in seiner Gesellschaft viel entspannter.«
Mein Vater überlegte kurz und begann wie üblich mit seinem Ring zu spielen.
»Unter all deinen schrecklichen Einfällen gibt es offenbar hin und wieder doch einen brauchbaren«, gestand er mir schließlich zu. »Ich werde Miranna wissen lassen, dass sie dich und Steldor bei eurem Picknick in zehn Tagen begleitet.«
Ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer, und ich sank auf das Sofa zurück. Die morgendliche Hitze und das Selbstmitleid raubten mir jeglichen Elan. Erst nach ein paar Minuten dämmerte mir, dass mein Vater vielleicht auch Miranna einen Besuch abgestattet hatte. Aber selbst falls nicht, so war Miranna diejenige, die meinen Kummer noch am besten verstehen würde.
Ich verließ meinen Salon und lief eilig den Flur hinunter zu Mirannas Gemächern, die ebenfalls aus drei Räumen bestanden, allerdings besaß sie im Gegensatz zu mir keinen Balkon. Ihr Salon ähnelte meinem, auch hier hingen Tapisserien an den Wänden, auf dem Boden lagen Teppiche, und es gab ein Sofa und mehrere Sessel als Sitzgelegenheiten. Der auffälligste Unterschiedwaren die Farben. Sie bevorzugte Blautöne, ich Weinrot.
Halias klopfte an ihrer Salontür und öffnete sie für mich. Meine Schwester saß in einem dunkelblauen Polstersessel und handarbeitete. Als sie meine düstere Miene sah, stand sie jedoch sofort auf und winkte mich in ihr Schlafzimmer. Hier gab es keine Wandteppiche, sondern Seidentapeten in den zartesten Blau-, Gelb-, Grün- und Rosatönen. Seidenbänder in denselben Schattierungen hingen von den vier Pfosten ihres Himmelbetts. Eine große Zahl liebevoll herausgeputzter Puppen saß auf ihrem Bücherregal und der Frisierkommode.
Sie ließ sich aufs Bett fallen und bedeutete mir, es ihr gleichzutun.
»Ist es wegen Vater?«, fragte sie.
»Natürlich.« Bekümmert ließ ich mich neben ihr nieder.
»Er hat mich heute Morgen ermahnt, überlegter zu handeln und anderen
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