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Alera 01 - Geliebter Feind

Alera 01 - Geliebter Feind

Titel: Alera 01 - Geliebter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cayla Kluver
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haben sollten.«
    »Hast du schon mit ihm gesprochen?«, hakte Miranna nach.
    »Aber natürlich! Der Hauptmann hat einen wöchentlichen Besuch bei uns arrangiert. Am vereinbarten Tag bringt Destari ihn morgens zu uns und eskortiert ihn abends zurück in den Palast. Die Männer haben ein scharfes Auge auf ihn, wenn er mit uns zusammen ist, aber bis jetzt hat es noch keinerlei Probleme gegeben.«
    »Und wie ist er so?«, fragte ich atemlos vor Aufregung.
    »Es ist furchtbar spannend, ihn zu sehen, meinen verloren geglaubten großen Bruder, aber natürlich ist es auch befremdlich.« Semari war nachdenklich geworden. »Bislang war ich immer das älteste Kind der Familie. Da kommt es mir eigenartig vor, plötzlich die kleine Schwester von jemand zu sein. Und meinen Eltern erscheint es, als wäre er von den Toten auferstanden.«
    Ich überlegte einen Moment lang. Kyenn war nur eine Woche nach seiner Geburt entführt worden, und man hatte ihn für tot gehalten, auch wenn sein Leichnam nicht unter denen war, die die Cokyrier zurückgegeben hatten. Das Leid, das Semaris Eltern, Baron Koranis und Baronin Alantonya, erfahren hatten, war so schrecklich gewesen, dass es sie auch nach sechzehn Jahren noch geschmerzt hatte. Außerdem hatten sie stets in der Ungewissheit leben müssen, was ihrem Sohn tatsächlich zugestoßen war. Es schien praktisch unvorstellbar, dass es sich bei dem von London gefangen genommenen Cokyrier um ihr vermisstes Kind handeln sollte. Die Freude über seine Rückkehr wurde allerdings getrübt durch die Tatsache, dass er im Land des hytanischen Erzfeindes aufgewachsen war.
    »Er ist sehr still.« Semaris Stimme riss mich aus meinen Gedanken. »Er spricht ganz wenig und beobachtet alles nur.«
    »Nun, Hytanica muss für ihn ja interessant sein«, spekulierte Miranna. »Unsere Lebensweise unterscheidet sich sicher deutlich von der in Cokyri.«
    »Ich weiß nicht, ob ›interessant‹ die richtige Bezeichnung ist. Er benimmt sich so, als würde er unseren Lebensstil eher verachten … als sei er enttäuscht und hätte mehr von uns erwartet.«
    »Wie meinst du das?«, fragte ich.
    »Ich meine nicht, dass er eingebildet wäre. Lasst mich euch ein Beispiel nennen – er war erstaunt, geradezu bestürzt, als er erfuhr, dass ich nicht mit Waffen umgehen kann. Dass man bei meiner Erziehung und der meiner Schwestern mehr Wert auf gutes Benehmen als auf Kenntnisse der Geschichte und Politik Hytanicas legt. Er scheint diese Ausbildung für unzureichend zu halten.«
    »Spricht er je von Cokyri?«, fragte Miranna und schaffte es, wieder auf das Thema zu sprechen zu kommen, das sie von Beginn an brennend interessiert hatte.
    »Wie schon erwähnt, ist er nicht sehr mitteilsam. Wir wissen nur, dass er noch in Cokyri dahinterkam, ein Hytanier zu sein. Deshalb ist er auch geflohen. Er hat allerdings nicht verraten, wie er es herausgefunden hat. Auch über sein bisheriges Leben hat er nichts berichtet, und wir haben ihn nicht dazu gedrängt. Meine Eltern vermuten, dass er in der Oberschicht aufgewachsen ist, denn er kann sich ausdrücken und hat gute Manieren.«
    Da fiel mir noch ein anderer Aspekt ein. »Wie nennt ihr ihn denn? Er besitzt ja schließlich zwei Namen.«
    »Das ist noch nicht ganz entschieden«, antworteteSemari bekümmert. »Meine Eltern möchten ihn Kyenn nennen – mit diesem Namen haben sie ihn als ihren Erstgeborenen taufen lassen –, doch er besteht darauf, Narian zu heißen. Meiner Mutter missfällt das, doch sie versteht ihn und ist bereit, seinen cokyrischen Namen zu benutzen. Mein Vater hat ihm gesagt, er könne sich anderswo als Narian oder wer auch immer vorstellen, doch unter dem Dach seines Vaters laute sein Name Kyenn. Mein Bruder erwiderte, er würde auf keinen Namen außer Narian hören, egal unter wessen Dach er sich aufhalte.
    Um meinen Vater nicht zu verärgern, nennen wir übrigen ihn also Kyenn, was die Spannung nur vergrößert, da er nur hört, wenn meine Mutter ihn bei seinem Taufnamen nennt, nicht aber, wenn mein Vater dies tut. Er richtet auch seine wenigen Fragen, von denen es ohnehin nur wenig gibt, an sie und funkelt Papa zornig an, als wäre er ein Dummkopf, sollte er es wagen, an ihrer Stelle zu antworten.«
    »London hat mir einmal erzählt, dass in Cokyri die Frauen und nicht die Männer alle wichtigen Ämter innehaben«, überlegte ich. »Vielleicht ist er deshalb nur gewillt, deiner Mutter zu gehorchen, nicht aber deinem Vater.«
    »Ich denke auch, das könnte der Grund

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