Alera 01 - Geliebter Feind
ist der Wunsch meines Vaters, nicht meiner. Steldor ist selbstgerecht und eitel, und ich erkenne in ihm keinen guten zukünftigen König, weder jetzt noch später. Allerdings ist mein Vater darauf bedacht, ihn zu seinem Nachfolger zu machen, egal wie ich dazu stehe.«
Ich schwieg und schämte mich plötzlich dafür, meine tiefsten Geheimnisse jemand anvertraut zu haben, den ich kaum kannte. Außerdem irritierte mich, dass er mich so leicht zu dieser Offenheit hatte animieren können. Schließlich war dies kein Thema, über das ich bereitwillig redete. Und außer gegenüber London und Miranna hatte ich noch niemand meine Meinung über Steldor und die Hochzeitspläne meines Vaters kundgetan.
»Verzeiht«, murmelte ich. »Ich hätte Euch das nicht erzählen sollen.«
»Da gibt es nichts zu verzeihen. Ich schätze es auch nicht, wenn andere mein Leben für mich planen.«
Obwohl Narian mit dieser geradezu beiläufig geäußerten Bemerkung meine Gefühle genau getroffen hatte, war ich nicht bereit, das zuzugeben.
»Falls Ihr aus meinen Worten geschlossen habt, dass ich mit meinen Verpflichtungen als hytanische Kronprinzessin hadere, so trifft dies ganz gewiss nicht zu«, sagte ich, um mich zu rechtfertigen.
»So habe ich das keinesfalls verstanden«, erwiderte er mit einem angedeuteten Lächeln, ganz so, als wüsste er etwas, das mir verborgen war. »Pflichten sind wichtig, doch irgendwann steht man vor der Wahl, seinen Verpflichtungen zu genügen oder sein Leben zu leben.«
»Was wisst Ihr denn schon von solchen Dingen?«, antwortete ich mit einer brüsken Frage, weil mich seine geradezu unheimliche Fähigkeit, die Wahrheit auszusprechen, aufbrachte. Ich wartete auf eine Antwort, während er einen Moment lang auf die blinkenden Laternen der Stadt schaute.
»Wir sollten wieder hineingehen«, riet er und ignorierte meine Frage. »Ich bin mir sicher, dass inzwischen schon jemand das Fehlen der Kronprinzessin und des Ehrengasts bemerkt hat.«
Ich nickte und war verwirrt von seiner Weigerung, mir zu antworten.
»Soll ich Euch zurück zu Euren Eltern geleiten?«
»Vielleicht wäre es besser, wenn wir getrennt hineingingen«, schlug ich vor, weil ich an Steldor und sein Temperament denken musste.
Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, fragte Narian: »Habt Ihr Angst vor Steldor?«
»Nein!«, rief ich und war nicht bereit zuzugeben, dass ich es wegen des Mannes, den ich verabscheute, nicht wagte, mich an seiner Seite zu zeigen. »Ich fürchte Steldor nicht.«
»Dann fürchtet Ihr wohl, was die Leute sagen könnten?«
»Natürlich nicht.«
»Dann ist es mir eine Ehre, Euch zu begleiten.«
Nachdem mir die Argumente ausgegangen waren, akzeptierte ich seinen Arm, und gemeinsam traten wir durch die Balkontüren zurück in den Festsaal.
Sobald wir den Ballsaal wieder betreten hatten, traf mich Steldors Blick und ich blieb stehen, weil klar war, dass ich ihm diesmal nicht entkommen würde. Offensichtlich hatte er gesehen, wie ich auf den Balkon zugesteuert war, und war mir nachgegangen. Jetzt stand er nur ein paar Meter von mir entfernt. Ich konnte fast spüren, wie der Zorn in ihm aufwallte, als er bemerkte, dass meine Hand in der Armbeuge eines anderen Mannes lag. Er stürmte auf uns zu, legte dann abrupt seinen Arm um meine Taille und zog mich heftig von Narian fort.
»Von hier an übernehme ich, vielen Dank Euch«, giftete er und hielt mich fest.
»Steldor, lasst mich unverzüglich los!«, verlangte ich und stemmte mich gegen ihn.
Doch er ließ nicht von mir ab, sondern legte seinen Arm nur noch fester um mich. Das musste wohl bedeuten, dass er an diesem Abend schon zu viel getrunken hatte, sonst wäre er vernünftig genug gewesen, mich freizugeben.
Wie geübt Narian auch darin sein mochte, seine Gefühle zu verbergen, die Verachtung für Steldor stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Es scheint, als würde Prinzessin Alera Eure Avancen nicht begrüßen«, sagte er grimmig.
»Und wer bist du, dass du für die Prinzessin sprichst?«, erwiderte Steldor und stieß mich beiseite, damit ich ihm nicht im Weg wäre.
»Sie hat ziemlich deutlich für sich selbst gesprochen, doch scheint Ihr das nicht zu beherzigen.«
»Halt dich da raus, Cokyrier«, brummte Steldor drohend und seine dunklen Augen glitzerten.
Die Leute hatten begonnen, die Köpfe nach uns zu drehen, und um uns herum war es still geworden. DieGespräche, das Scherzen, das vergnügte Lachen waren verstummt, und aller Aufmerksamkeit richtete sich auf
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