Alera 02 - Zeit der Rache
wurde dieses Treffen arrangiert? Wann hast du mit ihm gesprochen? Bei der Zusammenkunft?«
Nur an seinem »Du« merkte ich überhaupt, dass er mit mir sprach. Doch ich war zu verängstigt, um zu antworten, und hatte furchtbare Angst, ihn mit jedem Wort, das ich sagte, noch stärker zu reizen. Gleichzeitig schien seine Wut aber mit jedem Augenblick, der verstrich, zu wachsen.
»N-Narian …« Ich holte tief Luft und wollte das Zittern aus meiner Stimme vertreiben. Während ich noch zögerte, ergriff Cannan an meiner Stelle das Wort.
»Narian hat sich nach der Zusammenkunft irgendwie Zugang zum Palast verschafft, während wir noch in der Eingangshalle diskutierten. Er und Alera haben in euren Gemächern miteinander gesprochen.«
Cannans Antwort erstaunte mich, denn ich hatte, angesichts des Gemütszustandes seines Sohnes nicht erwartet, dass er so offen sprechen würde.
Steldor schaute nicht auf und veränderte auch seine Haltung nicht, doch sein Körper erzitterte regelrecht, während er darum kämpfte, seine Wut im Zaum zu halten. Er schien gefährlich nah an einem Wendepunkt zu sein, und ich fürchtete, was danach kommen würde.
»In meinen Gemächern. Er war in meinen Gemächern, und sie hat nicht Alarm geschlagen. Er war hier, im Palast , und sie hat nicht nach der Wache gerufen oder auch nur einen Mucks gemacht.«
Steldor schien zu niemand bestimmtem zu sprechen, sondern nur zu versuchen zu begreifen, was er soeben erfahren hatte. Er lachte auf, aber sein Lachen war ohne Fröhlichkeit, dann drehte er sich endlich zu mir um. Ich schob mich näher an Halias, denn die Wut in seinem Blick beunruhigte mich heftig
»Hast du ihn geküsst?«, fragte er, nachdem sein Lachen verklungen war.
Ich stieß ein paar Geräusche aus und wusste nicht, welche Schlüsse er ziehen würde, wenn ich diese Frage unbeantwortet ließ.
»Hast du ihn geküsst?!«, donnerte er, und ich zuckte zusammen.
In seinem Blick fehlte etwas, etwas, das mir gesagt hätte, dass er sich tief in seinem Inneren daran erinnerte, dass ihm eigentlich an mir lag. Und mit einem Mal verstand ich, warum Cannan so viele Gardisten mitgenommen hatte. Und ich wusste auch, dass ich mich immer weiter in Gefahr brachte, indem ich nicht antwortete. Gleichzeitig war mir klar, dass er mir eine Lüge ansehen würde. Ich betete, dass Halias und die anderen in der Lage sein würden, ihn falls nötig zurückzuhalten.
»Nein … und ja. Denn er hat mich geküsst«, bekannte ich zögernd, und es gelang mir nicht mehr, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken.
»Und du hast ihn natürlich abgewehrt, nicht wahr?«
»Also, nein, ich meine … genau genommen …« Meine Stimme erstarb, während meine Wangen dunkelrot anliefen. »Aber es spielt ohnehin keine Rolle mehr, denn –«
»Es wird jeden Tag eine Rolle spielen, bis du als Ehebrecherin zur Hölle fährst, du kleine –«
»Steldor!«, bellte Cannan dazwischen und unterbrach seinen Sohn, bevor der vollends die Nerven verlor. »Reiß dich zusammen!«
Aber Steldor hörte nicht auf ihn. Mit einer Armbewegung wischte er die wenigen Dinge, die auf dem Schreibtisch des Hauptmannes standen, zu Boden, dann packte er den ihm am nächsten stehenden Holzstuhl und drosch ihn mit solcher Wucht auf den Steinboden, dass das Holz splitterte. Er griff sich ein abgebrochenes Stuhlbein und schleuderte es in den Vitrinenschrank, in dem sein Vater seine Waffen aufbewahrte, sodass das Glas zerbrach. Ich schnappte nach Luft, drückte mich an die Wand und Halias schirmte mich mit seinem Körper ab. Auch Casimir und die beiden anderen Wachen waren auf der Hut. Cannan dagegen verschränkte nur die Arme vor der Brust, machte einen Schritt nach hinten und sah mit stoischer Ruhe zu, wie der Sohn sein Dienstzimmer verwüstete. Ich bezweifelte, dass Steldor überhaupt merkte, was er tat, als er die Bücherregale zertrümmerte, Bücher zerfetzte und noch mehr Glas zerschlug. Am Ende trat er, was von den Waffenschränken noch übrig war, mit den Füßen zusammen.
Dann war der Ausbruch zu Ende, und es herrschte beklemmende Stille. Ich spähte aus meinem Versteck hervor und sah Steldor wieder vor dem Schreibtisch seines Vaters stehen. Er atmete schwer, seine Haltung drückte immer noch Wildheit aus, und der einzige Grund, aus dem er aufgehört hatte, war wohl, dass es hier nichts mehr zu zerschlagen gab. Der Hauptmann musterte ihn, kaum irritiert und sichtlich nicht verängstigt.
»Bist du fertig?«, fragte er und schien immer noch Herr
Weitere Kostenlose Bücher