Alera 02 - Zeit der Rache
langer Zeit freute ich mich auf einen Empfang im Schloss, denn es würde kaum Erwartungsdruck auf mir lasten. Die Spannungen zwischen meinem Gemahl und mir waren beseitigt, und ich war genau genommen eigentlich selbst Gast bei diesem Fest.
Steldor und ich betraten den Ballsaal über eine kleine Bühne, die wir durch das angrenzende Zimmer der Würdenträger erreichten. Dort pflegte das Königspaar sich vor seinem offiziellen Auftritt aufzuhalten. Lanek verkündete wie üblich unser Erscheinen, und die Gäste entboten uns den erwarteten Respekt. Gleich danach löste ich mich von Steldor und begann mich ungezwungen unter die Leute zu mischen. Als ich Tiersia fröhlich mit ihren Brautjungfern und einigen anderen jungen Frauen plaudern sah, beschloss ich, mich ihnen anzuschließen. Ein Grund dafür war, dass ich auch Reveina dort entdeckt hatte. Zwischen den vielen aufgeregten Glückwünschen für die Braut und reichlich Gekicher gelang es mir, Marcails unglücklicher Ehefrau eine einfache Frage zu stellen.
»Wie ist es dir in letzter Zeit ergangen?«
Ich erwartete eine ausweichende Antwort, doch zu meinem Erstaunen schien sie wirklich glücklich zu sein.
»Besser. Mein Gemahl und ich haben großes Glück.«
»Das freut mich für dich«, erwiderte ich und fragte mich, was sich an ihren Lebensumständen wohl so Grundlegendes geändert haben mochte. »Was ist geschehen?«
»Mein Herr wurde zum Bataillonskommandanten befördert. Das ist zwar vom Rang her keine Veränderung, doch es bedeutet höhere Besoldung. Außerdem war er vom Vertrauen des Gardehauptmannes in seine Fähigkeiten geschmeichelt.« Sie lief dunkelrot an, bevor sie mir bekannte: »Und ich bin aus einem anderen Grund froh, denn seine neue Position sorgt dafür, dass er wochenlang von zu Hause fort ist.«
Hier endete unsere Unterhaltung, weil sie wieder in das Gezwitscher der anderen einstimmte, doch ihre Worte blieben mir im Gedächtnis. Nachdem ich Tiersia von Herzen gratuliert hatte, entschuldigte ich mich in diesem Kreis und suchte den Saal nach dem Hauptmann ab, den ich schließlich in einiger Entfernung mit Baelic zusammenstehen sah. Ich schlug zwar ihre Richtung ein, aber nicht um mich mit meinem Schwiegervater zu unterhalten. Allein sein Anblick genügte mir, um meine Vermutung zu bestätigen. Cannan hatte Marcail für einen fähigen Stadtkommandanten gehalten, dennoch hatte er ihn ohne ersichtlichen Grund auf einen Posten befördert, der ihm kaum freie Zeit ließ. Vielleicht hatte ihn das, was ich ihm berichtet hatte, doch zum Handeln bewogen.
Während ich Cannan gedankenverloren betrachtete, merkte ich nicht, dass Baelic wiederum mich ansah, und so lief ich rot an. Dennoch nickte ich ihm würdevoll zu und rechnete damit, dass er die Begrüßung erwidern und sich danach wieder der Unterhaltung mit seinem Bruder zuwenden würde. Doch stattdessen gab mein Onkel Cannan nur einen abschließenden Klaps auf die Schulter und kam auf mich zu.
»Wisst Ihr denn nicht, meine Liebe«, sagte er, kaum dass er an meiner Seite war, »dass es unhöflich ist, gebrechliche Menschen so anzustarren?«
»Genau darum habe ich Euch ja auch kaum eines Blickes gewürdigt«, erwiderte ich lächelnd, denn inzwischen hatte ich mich bereits an seinen Humor gewöhnt.
Lachend führte er mich an einen der Tische mit den Erfrischungen.
»Ich wollte mich bei Euch entschuldigen, Eure Majestät. Denn ich habe mein Versprechen vernachlässigt, Euch zum Reiten mitzunehmen.«
»Seien Sie nicht albern. Ihr wart wohl wahrlich mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Beispielsweise mit dem Krieg.«
»Ach, meine liebe Königin, es gibt niemals etwas Wichtigeres als Zeit mit einer wunderschönen Dame zu verbringen – nicht einmal die Rettung des Königreiches.«
Nun war es an mir zu lachen, und mit einem schiefen Lächeln nahm er zwei Weingläser vom Tisch vor uns und reichte mir eines davon.
»Sir, Ihr seid einfach ein unverbesserlicher Charmeur«, neckte ich ihn und nahm mit einem leichten Kopfnicken den gläsernen Pokal in Empfang. »Aber ich meine dort vorne Eure Frau zu sehen, und sie scheint nach Euch Ausschau zu halten.«
»Wirkt sie verärgert?« Er legte ganz leicht eine Hand auf meinen Unterarm und beugte sich näher zu mir. »Wenn nicht, dann sucht sie vermutlich jemand anderen. Aber für den Fall, dass ich mich irren sollte, will ich doch lieber zu ihr gehen.«
Er nahm meine Hand und küsste sie, während er sich verneigte.
»Bis zum nächsten Mal, werte Dame.«
Mit
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