Alera 02 - Zeit der Rache
findet.«
»Denkst du, dass ihnen etwas zugestoßen ist?«
Meine Gedanken rasten, als ich mich an die Gefahr erinnerte, der wir auf unserem Weg nur knapp entronnen waren. Aber sicher waren Steldor und Galen ebenso geschickt wie London und Davan. Noch dazu hatten sie den Vorteil, anfangs noch Cannan bei sich zu haben. Der Hauptmann hatte ja beabsichtigt, erst dann den Rückweg anzutreten, wenn er sie in Sicherheit wusste.
»Sie sind fähige Männer«, sagte London voller Überzeugung, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Vielleicht tauchen sie ja schon bald auf.« Dann schien seine Stimme etwas von ihrem Optimismus zu verlieren: »Unverwundbar sind aber auch sie nicht.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, versprach Davan.
Damit gab London dem Pferd einen Klaps, und die beiden machten sich an den beschwerlichen Abstieg, während mein ehemaliger Leibwächter und ich in den Unterschlupf zurückkehrten.
Miranna erwachte kurz danach, stand aber nicht auf. Sie setzte sich auf den Fellen nur auf und zog die Knie an die Brust. Ein wenig später zeigte London mir, wo wir uns waschen und ein wenig frisch machen konnten, und ich half meiner Schwester dabei.
Ich hatte richtig vermutet, dass das Feuer ein warmes Frühstück verhieß, allerdings kein Rührei, wie ich es gewohnt war. Stattdessen erklärte London mir, wie man Grütze aus Hafer zubereitete, von dem wir reichlich hatten. Man brauchte eigentlich nur Wasser hinzufügen und das Ganze über dem Feuer kochen. Mit Milch wäre es sicher besser gewesen, aber auf die würden wir noch eine Weile verzichten müssen. London zeigte mir auch, wie ich das Feuer in Gang, aber klein halten sollte, damit am Tag möglichst wenig Rauch nach außen drang, der uns verraten konnte. Ich verstand, dass ich wohl fürs Kochen zuständig sein sollte – wenigstens ein Bereich, in dem ich mich nützlich machen konnte.
So verbrachten wir den Tag in der Höhle und sprachen kaum ein Wort. Ich räumte die Vorräte aus der hinteren rechten Ecke, um es Miranna etwas gemütlicher zu machen und ihr ein Gefühl von mehr Sicherheit zu geben. Dann räumte ich die Pelze und Decken, auf denen wir geschlafen hatten, beiseite.
Miranna schien sich in dem Winkel tatsächlich besser zu fühlen, denn sie döste den ganzen Nachmittag lang auf ihrem Lager. London hielt Wache, sah gelegentlich nach uns, blieb aber immer in der Nähe des Felsvorsprungs. Einige Male sah ich ihn zu seinem Jagdbogen blicken, denn wir hatten keine Fleischvorräte mehr, aber natürlich konnte er uns nicht allein lassen. Also aßen wir uns an Hafergrütze, Zwieback und Trockenobst satt.
Zu gerne hätte ich von Miranna etwas über ihre Erlebnisse in Cokyri erfahren, aber sie reagierte kaum, egal, welches Thema ich ansprach. Narian hatte mir gesagt, sie hätte im Tempel der Hohepriesterin gelebt, und aus dem hatte London sie auch befreit, aber trotz dieser relativ zivilisierten Behandlung schien sie nicht mehr sie selbst zu sein. Natürlich hätte schon die Verschleppung allein genügt, sie völlig zu verstören. Ihr fortdauerndes Schweigen schürte meine Befürchtungen. Was mochte zwischen ihrer Ankunft in Cokyri und dem Pakt, den Narian zu ihrem Schutz mit dem Overlord geschlossen hatte, vorgefallen sein? Was hatte man ihr angetan? Solange sie sich mir nicht anvertraute, würde ich nie erfahren, was sie durchgemacht hatte, und ihr kaum helfen können. Was auch immer passierte, ich würde sie immer lieben, aber ich bezweifelte, dass meine offenherzige und vor Lebensfreude sprühende Schwester jemals wieder zum Vorschein käme. Und diese Vorstellung erfüllte mich mit unbeschreiblicher Trauer.
Als die Nacht anbrach, war ich zu unruhig, um schlafen zu können, während Miranna nichts anderes zu wollen schien. Auch London wirkte nervös. Mein früherer Leibwächter ging auf und ab. Manchmal stocherte er im Feuer, um die Kälte zu bannen, oder lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand der Höhle. Es dauerte zu lange. London hatte bereits nach zwölf Stunden den Verdacht gehegt, etwas könnte schiefgelaufen sein. Nach 24 Stunden musste man das mit Sicherheit annehmen. Steldor und Galen waren in Schwierigkeiten.
Während ich wach neben meiner Schwester lag, hätte ich London am liebsten mit sinnlosen Fragen gelöchert. Waren sie tot? Hatten die Cokyrier sie gefasst? Würde Davan überhaupt eine Spur von ihnen finden? Doch ich hielt meine Zunge im Zaum, da ich wusste, London wäre weder zu meinen rhetorischen Fragen
Weitere Kostenlose Bücher