Alera 02 - Zeit der Rache
Exekutionsopfer geholt worden waren, um ein noch schlimmeres Schicksal zu erleiden.
Ich brauchte Trost. Ich brauchte jemand, der mich davon überzeugte, dass Temersons Geschichte nur die Erfindung eines verwirrten, verängstigten Jungen war. Ich sehnte mich nach meinen Eltern, die, sofern ich Temerson richtig verstanden hatte, noch am Leben waren. Mehr noch als nach meiner Mutter und meinem Vater, sehnte ich mich jedoch danach, um das Feuer herumzukriechen und mich in Londons starke Arme zu flüchten. Er bedeutete Sicherheit, das war schon immer so gewesen. Er musste all das doch ungeschehen machen können. Aber London hatte eine Hand auf die Schulter seines Hauptmannes gelegt, denn trotz der hierarchischen Kämpfe, die die beiden oft ausgetragen hatten, bot er Cannan nun seine Unterstützung, sein Mitgefühl und seine Hochachtung an.
Mit verschwommenem Blick und dem Gefühl von Verlorenheit ließ ich meine Augen durch unseren Unterschlupf wandern und meine Haut wurde eiskalt, als ich zum ersten Mal, seit wir uns zum Essen gesetzt hatten, zu Steldor hinübersah. Er schlief nicht mehr friedlich, sondern warf sich in permanenter Unruhe hin und her. Selbst auf diese Entfernung konnte ich sehen, dass seine Haut gerötet war. Er schien verzweifelt, dass es keine Decken mehr gab, die er hätte wegstoßen können, um der Hitze zu entfliehen, die seinen Körper erfasst hatte.
»Nein«, murmelte ich und riss mich aus der Trance meiner Trauer. Ich taumelte in seine Richtung und wiederholte immer nur dieses eine Wort. Cannan und London reagierten sofort.
Das erste Ziel des Hauptmannes war es, Steldor zu wecken. Leicht, aber eindringlich schlug er seinem Sohn auf die Wangen und rief wieder und wieder dessen Namen, jedes Mal ein wenig lauter. Endlich gab Steldor ein leises Geräusch von sich und hob seine flackernden Lider.
»Vater«, murmelte er, als er den über sich gebeugten Mann erkannte.
London und ich starrten die beiden an, während Galen sich im Hintergrund hielt, sicher ebenso besorgt, aber anscheinend wollte er Vater und Sohn nicht zu nahetreten. Steldor warf sich unruhig herum, und sein Hemd klebte an dem dünnen Schweißfilm, der seine Haut überzog.
»Vater«, sagte er noch einmal, aber diesmal waren seine Augen zugekniffen, und er schien Cannan zu bitten, etwas zu tun, ihm zu helfen, den Schmerz zu lindern.
»Steldor, bleib wach«, befahl der Hauptmann.
Wieder schlug er seinem fiebernden Sohn auf die Wangen und holte ihn so ins Bewusstsein zurück, dann verloren er und London keine Zeit, sondern rissen dem König das Hemd vom Leib. Der Eimer und der Lappen, den der Hauptmann zuvor schon benutzt hatte, standen noch da, und er wischte damit wieder über den Nacken und die Brust seines Sohnes, um dessen Temperatur zu senken, bevor sie lebensbedrohlich würde. Inzwischen entfernte London die Verbände, um sich die Wunde anzusehen. Ich fuhr zurück, und stattdessen trat Galen vor, der beim Anblick der Verletzung das Gesicht verzog.
»Was soll ich dir bringen?«, fragte er London.
»Schafgarbe, um die Entzündung zu bekämpfen. Und frische Verbände – wir werden die Wunde aufstechen müssen.«
Ich sah nicht hin, während sie Steldor behandelten, sondern hatte mich wieder ans Feuer zurückgezogen, aber ich wusste sehr wohl, was sie taten. Aufstechen bedeutete, den Bauch erneut zu öffnen. Sie mussten einen Teil dessen, was sie zugenäht hatten, wieder aufschneiden, damit so viel Eiter wie möglich abfließen konnte.
Cannan blieb noch lange, nachdem London fertig war, bei seinem Sohn und versuchte, ihn davon abzuhalten, sich zu viel zu bewegen. Denn instinktiv versuchte Steldor, vor dem Schmerz zu fliehen. Ihn zu kühlen, schien ein wenig zu helfen, denn der Hauptmann fuhr fort, den heißen Leib seines Sohnes mit dem feuchten Lappen abzuwischen, und sprach dabei beruhigend auf ihn ein. Und sobald der König drohte einzuschlafen, bemühte er sich, ihn wach zu halten und mit ihm zu sprechen.
London kam und ging und sah oft nach Steldor, während er sich inzwischen um andere Dinge kümmerte. Gemeinsam mit Cannan versuchte er unter anderem, ihm eine Brühe einzuflößen, die er aus dem Wild gekocht hatte, doch mein Gemahl wandte den Kopf ab und war durch nichts dazu zu bringen, den Mund zu öffnen.
Schließlich kniete London sich gegenüber von Cannan hin und sie hatten den schlafenden Steldor zwischen sich. Sein Lager war nun weiter vom Feuer weggerückt, und obwohl seine Temperatur, die der Hauptmann
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