Alera 02 - Zeit der Rache
wollte. Irritiert versuchte ich sogleich, mein Reittier von ihm wegzuleiten, doch Steldor beugte sich vor und griff sich meine Zügel.
»Lasst mein Pferd los!«, befahl ich ihm aufgebracht und war doch zugleich auf der Hut vor dem riesigen, kraftstrotzenden Tier und seinem Reiter.
»Nein«, fuhr Steldor mich an. »Ihr kehrt mit mir um.«
Mit meinen Zügeln fest im Griff brachte er seinen Hengst dazu, in Richtung der Stadt zu wenden, und mein Pferd folgte ihm gehorsam. Getrieben vom Unwillen, mich ihm zu beugen, rutschte ich vom Rücken meines Tieres.
»Ich denke nicht, dass ich jetzt schon zurückkehren werde, Eure Majestät«, erklärte ich verwegen.
Mit einem entnervten Seufzer sprang auch er vom Pferd und trat auf mich zu. Dabei nahm er meine seltsame Aufmachung näher in Augenschein.
»Was treibst du hier eigentlich?«, fragte er und blieb wie angewurzelt stehen. »Mitten im Niemandsland, mutterseelenallein, angezogen wie ein Mann und dann auch noch auf dem Pferd deines Vaters! Hast du den Verstand verloren?« Er musterte mich genauer und sein Staunen verwandelte sich in Missmut. »Sag mal, wo hast du den Gürtel und die Hose her?« Als ihm die Erkenntnis dämmerte, fügte er noch sarkastisch hinzu: »Was für ein Pech, dass du ausgerechnet als ich nicht zugegen war, beschlossen hast, in meine Hose zu schlüpfen.«
Meine Wangen glühten vor Scham über diese freche Bemerkung, und hätte ich ein Stück näher bei ihm gestanden, hätte ich ihn wahrscheinlich zum zweiten Mal geohrfeigt. Gleichzeitig wusste ich jedoch, dass ich tatsächlich einen seltsamen Aufzug bot.
»Ich wollte nur ein wenig ausreiten. Schließlich habe ich wohl ein Recht auf etwas frische Luft«, erklärte ich trotzig und stemmte die Hände in die Hüften.
Steldor gab ein kurzes, höhnisches Lachen von sich. »Auf diese Weise sicher nicht. Und jetzt steig auf das Pferd.«
Aufgebracht über seinen diktatorischen Tonfall drehte ich mich weg, ohne auch nur einen Moment über seine mögliche Reaktion nachzudenken. Ich schlug wieder meine ursprüngliche Richtung ein, und machte mir keinerlei Gedanken darüber, dass ich mein Transportmittel zurückließ. Es dauerte nicht lange, bis ich die Sohlen seiner Stiefel auf dem steinigen Boden hörte, und mein Nacken prickelte warnend. Bevor ich noch darüber nachdenken konnte, wie ich mit ihm umgehen sollte, war er auch schon vor mir und hinderte mich am Weitergehen.
»Du wirst auf der Stelle mit mir zurückkommen«, knurrte er und hatte den Unterkiefer entschlossen vorgeschoben.
»Nein, das werde ich nicht !«
Er fuhr sich mit beiden Händen durch seine tief dunkelbraunen Haare, und ich erwartete fast, dass er vor Wut losbrüllen würde. Doch er machte nur einen Schritt auf mich zu, schlang einen Arm um meine Taille, zog mich an sich und warf mich mit finsterem Blick über seine Schulter. Dann stapfte er zu den Pferden zurück.
»Lass mich runter!«, kreischte ich und wehrte mich heftig, doch er reagierte nicht einmal. Auch wenn ich mich nicht befreien konnte, schrie ich weiter und strampelte mit den Beinen, bis ich dazu überging, mit den Fäusten auf seinen Rücken zu trommeln, um es ihm wenigstens so schwer wie nur möglich zu machen.
Als wir die Pferde erreicht hatten, wuchtete er mich in seinen Sattel und ließ mich kurz los, um selbst aufzusteigen. Ich nutzte diese kleine Gelegenheit und schwang ein Bein über die Mähne des Hengstes, um auf der anderen Seite wieder herunterzuspringen. Dummerweise hatte Steldor sich in diesem Moment jedoch bereits auf den Pferderücken geschwungen und packte mich mit einem Arm um die Brust. In dem verzweifelten Versuch, ihn abzuschütteln, senkte ich den Kopf und schlug meine Zähne, so fest ich konnte, in seinen Unterarm.
Er schrie vor Schmerz laut auf und ließ mich sofort los. Ich landete ziemlich würdelos auf dem Boden, rappelte mich triumphierend auf und blickte zu meinem Ehemann hoch, der ungläubig staunend seine Wunde untersuchte. Es schien ihm die Sprache verschlagen zu haben, und mir wurde bewusst, dass ich damit zum zweiten Mal innerhalb von eineinhalb Tagen handgreiflich gegen ihn geworden war. Während Blut von seinem Arm tröpfelte, funkelte er mich böse an und zitterte fast vor Zorn. Mühsam fand er seine Stimme und die entsprechende Lautstärke wieder.
»Na schön!«, brüllte er so laut, dass das träge Pferd meines Vaters hochschreckte und scheute. »Dann bleib eben hier! Aber ich werde die Pferde mitnehmen. Du hast also die Wahl:
Weitere Kostenlose Bücher